Achtbar geschlagen

Geschrieben am 27.03.2022 von Bernd Rosen

Deutsche PokalMM: SFK unterliegt St. Pauli nach hartem Kampf

Gut gelaunt machte sich am frühen Samstag ein SFK-Quartett auf den Weg nach Tostedt, um dort die 1. Runde der Deutschen Pokal-Mannschaftsmeisterschaft auszuspielen. Dabei machte ich meinen Mifahrern Lukas, Jan und Timo frühzeitig klar, wie ich mir die Aufgabenverteilung im Team vorstellte: Ich hatte den Job des Fahrers übernommen, für die Punkte sollten meine jüngeren Mitstreiter sorgen. Die Fahrt wurde natürlich zur Vorbereitung genutzt: Nachdem wir zunächst einige grundsätzliche Fragen geklärt hatten, in denen sowohl das Staatskonzept von Platon als auch Hobbes' Bellum Omium Contra Omnes eine zentrale Rolle spielten, fokussierte sich die Diskussion erst allmählich auf schachspezifischere Fragen. Schließlich holte Timo aber doch das Buch Perfektionieren Sie Ihr Schach hervor und machte sich zusammen mit Lukas ans Lösen der Aufgaben. Mich überkam natürlich gleich die Sorge, dieses an sich sinnvolle Projekt hätte vielleicht schon ein wenig früher in Angriff genommen werden können...

Die Fahrt zum Turnierort verlief völlig problemlos, so dass wir bereits gute 90 Minuten vor Spielbeginn vor Ort waren. Angenehme Überraschung: Die Gastgeber waren bereits vor Ort, präparierten den Spielsaal liebevoll und hatten sogar fürs leibliche Wohl in Form von Kaffe, Tee, Kaltgetränken, belegten Brötchen, Knabbereien usw. gesorgt. Nach einer kurzen Stärkung nutzte ich die Zeit für einen Rundgang durch den Ort. Außer dem Rathaus fiel mir vor allem das Anwesen eines Bildhauers auf, dessen auf großen Plakaten ausgehängte Losungen ich auch für den bevorstehenden Kampf beherzigenswert fand:

Rathaus Tostedt Mut Liebe Wahrheit

Das Turnierlokal befand sich übrigens in einer Sporthalle, wo der Schachverein Tostedt über sehr schöne eigene Räume verfügt. Unglücklicherweise fand in der Halle zeitgleich ein Volleyballturnier statt, was später mit einer erheblichen Geräuschkulisse einherging. Schiedsrichter Hugo Schulz ließ weiterspielen - nicht zuletzt, weil ein Spielabbruch doch erhebliche organisatorische Probleme aufgeworfen hätte.

Die Auslosung meinte es günstig mit uns, denn Gastgeber Tostedt war wir das nominell klar schwächste Team vor Ort. Die beiden ELO-Schwergewichte Kiel (aktueller Tabellenführer der Bundesliga!) und St. Pauli (2. Bundesliga Nord) trafen schon in der 1. Runde aufeinander.

Unser Kampf entwickelte sich schnell sehr angenehm: Zunächst eroberte Timo durch einen taktischen Schlag Material, das er recht schnell sicher verwertete, dann gelang Lukas eine Art "ersticktes Matt" der Dame: Die schwarze Lady stand auf f8, war komplett von eigenen Figuren umgebeben und konnte folglich dem Angriff des Sd7 nicht mehr entkommen. Jan, der als einziger einen nominell gleichwertigen Gegner hatte, remisierte daraufhin, so dass meine Mahnung "Ich bin nur der Fahrer!" diesmal also vortrefflich beherzigt wurde. Dennoch gelang auch mir noch ein Sieg, nachdem ich zwei Springer, die sich in meinem Lager verirrt hatten, zum Preis von nur einem Turm hatte erobern können.

Schön, dass die Jungs sich so vortrefflich an meine Ratschläge aus dem Grundlagentraining erinnern. Die Bernd-Rosen-Regel, derzufolge die Entwicklung des Damenläufers nach d7 fast immer schlecht ist, weil der auf seinem Ursprungsfeld besser aufgehoben ist, wurde schnell als Keim der schwarzen Niederlage ausgemacht: "Der Rest der Partie bedarf nach diesem Missgriff keiner weiteren Erläuterungen!" wurde mir als Kommentarvorschlag mit auf den Weg gegeben. Wenn es doch nur so einfach wäre...!

St. Pauli eine Nummer zu groß

Der Sonntag startete mit einem denkwürdigen Spruch. Ich weiß weder den Anlass noch den Sprecher, hörte aber dennoch lauf und deutlich den Satz: "Das Denken sollte man eben den Menschen überlassen!" - bei einem Schachspieler zeugt das entweder von einem sehr gesunden Selbstvertrauen oder davon, dass er noch mit einem analogen Telefon mit Wählscheibe unterwegs ist.

St. Pauli hatte am Vortag gegen Kiel mit 3,5:0,5 gewonnen und trat gegen uns unverändert mit drei Internationalen Meistern und einem FIDE-Meister an. Auf dem Papier eine klare Angelegenheit angesichts der sehr deutlichen Übermacht an allen Brettern. Nichtsdestotrotz ließ die Partie sich zunächst sehr erfreulich an: Jan, Timo und Lukas bekamen ihre Vorbereitungen aufs Brett, dabei sahen vor allem die Schwarzpartien von Jan und Timo sehr erfreulich aus - ihre Gegner verbrauchten denn auch extrem viel Zeit, um nicht völlig unter die Räder zu kommen. Und Lukas hatte für den geopferten Bauern viel Spiel. Nur mein Gegner wich frühzeitig von früheren Partien ab und verwickelte mich in eine strategisch komplizierte Stellung, in der uns beiden komplett die Vorbilder fehlten.

Gegen Ende der 3. Spielstunde verschlecherte sich die Lage zusehends: Jan gewann zwar einen Bauern, musste dafür aber sehr viel Gegenspiel zulassen, so dass er sich sogar Sorgen machen musste, die Partie noch zu retten. Lukas suchte ewig lange nach Aushebern, die es einfach nicht gab, holte sich dann voreilig den geopferten Bauern zurück und geriet schnell in eine sehr schwierige Lage. Dann übersah auch noch Timo die erste aktive Idee seines Gegners und musste ein Dauerschach zulassen. Ich selbst geriet am Königsflügel immer stärker unter Druck und wurde schließlich mattgesetzt. So war der Kampf nach vier Stunden bereits verloren. Jan, der sich inzwischen befreit hatte, remisierte schnell, so dass wir noch zeitig die Heimreise antreten konnten. Auch die verlief reibungslos und unspektakulär - bis auf einen letzten Schreckmoment: Genau vor meiner Haustür setzte ich zum Linksabbiegen in eine Einfahrt an, als mich trotz Tempo-30-Zone und Überholverbot ein Wagen überholte, den ich im letzten Moment noch im Seitenspiegel entdeckte. Was für ein Vollpfosten!"

Eine Frage meiner gelehrigen Schüler musste ich mir natürlich auch zu meiner Partie gefallen lassen: "Warum hast Du denn um Himmels willen Ld2 gespielt? Hast Du Deine eigenen Regeln vergessen? Schnell redete ich mich mit darauf hinaus, dass ich eben eine Win-Win-Situation angestrebt hatte: Entweder würde ich die Partie trotzdem gewinnen, oder mich darüber freuen, dass meine Regel eben doch gültig ist!

Also - dem hohen Favoriten haben wir einen beherzten Kampf geliefert, dabei Mut, Liebe zum Schach und zur Wahrheit bewiesen. Kein Grund also, sich nach einem anderen Hobby umzusehen. Einen eher bizarren Vorschlag für eine solche Alternative fanden wir als Aushang an der Sporthalle in Tostedt:

Hobby Horsing

Aber keine Sorge - selbst unser als Pferdenarr wohlbekannter Lukas erwägt keinesfalls, uns abtrünnig zu werden und ins Lager der Steckenpferdreiter abzuwandern!

Abschließend noch einige Fotos vom Wochenende mit einem herzlichen Dankeschön an Frau Ingrid Schulz:

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