Berlin - new balls please!

Geschrieben am 14.12.2009 von Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann

Die Vorbereitungen für das Berlin-Wochenende verliefen total chaotisch. Dies war einerseits meiner aktuellen beruflichen Belastung und zusätzlich der eigenen Schusseligkeit geschuldet; andererseits gab’s im Vorfeld viele Absagen und einige Einzelprobleme. Dies führte dazu, dass praktisch erst zwei Tage vor dem Kampf feststand, welche Mannschaft tatsächlich ins Rennen gegen die SF Berlin und den SK König Tegel geschickt werden sollte. Für meine Amtszeit ein absolutes Novum.

Viele Worte über das von mir ausgesuchte Mannschaftshotel zu verlieren, lohnt auch nicht! Das Hotel war ziemlich einfach ausgestattet und das Selbstbedienungsfrühstück gerade noch im genießbaren Bereich.

Das Einzige, was wirklich reibungslos funktionierte war die gemeinsame und entsprechend lustige Anreise mit dem Intercity inklusive Taxifahrt; vermutlich deshalb, weil ich die diesmal nicht organisiert hatte!

Trotzdem war die Stimmung in der Mannschaft erstaunlich gut. Lag vielleicht auch daran, dass wir diesmal eine große Fankurve dabei hatten. Überdies kann man mit 4 Mannschaftspunkten im Rücken schon mal etwas optimistischer in die Zukunft blicken.

Außerdem hatten wir am Freitagabend noch ein nettes kroatisches Restaurant gefunden. Das Essen war preiswert, reichhaltig und mundete vorzüglich. Wie bemerkte Vladimir Chuchelov doch so richtig: „Die Katernberger fressen mehr Fleisch als meine französische Bulldogge!“.

Am Samstag hatte ich zunächst aber noch einen Spezialauftrag zu erledigen, der mich wieder einmal zum KaDeWe führte. Diesmal handelte es sich um ganz bestimmte Schokoladensorte und einen Berliner Kuschelbären.

Um 13.00 Uhr ging’s dann zum Spiellokal zur Mannschaftsmeldung. Der SK König Tegel erwies sich dabei als ein würdiger Gastgeber. Die Spielbedingungen waren gut und alle Rahmenbedingungen passten.

Wir hatten damit gerechnet, dass die Berliner Schachfreunde weitestgehend auf ihre ausländische Garde verzichten würden. Die Mannschaftsaufstellung bot daher keine wirklichen Überraschungen:

Brett SF Berlin SF Katernberg
1 Lauber Chuchelov
2 Polzin Firman
3 Krämer Bischoff
4 Schneider Glek
5 Berndt Zaragatski
6 Agopov Thesing
7 Thiede Siebrecht
8 Thinius Rosen

Damit sah sich Katernberg in einer hauchdünnen Favoritenrolle. Aber Elovergleiche hinken bekanntlich ja immer.

Mein erster Rundgang um 14.30 Uhr ergab an sich keine wirklich tiefgehenden Erkenntnisse. Auffällig war allerdings Igors Stellung mit einem stark befestigten Zentrum, das nach einem Trompowski-Angriff einen Doppelbauern in der F-Linie aufwies. Strukturell durchaus bemerkenswert. Interessant war auch die Partie an Brett 1. Vladimir besaß gehen Arnd Lauber zwar einen Entwicklungsvorteil, der jedoch durch die kompakte Stellung des Schwarzen nach einer Neuerung offenbar gut kompensiert wurde.

Um 15.00 Uhr hatte unser Nazar bereits eine weitgehend ausgeglichene Stellung, weil ihm sein Gegner Rainer Polzin tatkräftig dabei half, das Problem des französischen Läufers zu lösen. Die Lage an Igors Brett wurde indes immer unterhaltsamer. Er bot seinem Gegner einige Züge lang an, den Bauern auf b7 zu schlagen. Damit würde der stets freundliche Ilja Schneider zwar Material gewinnen, aber seine Entwicklung sträflich vernachlässigen; doch damit weil eigentlich nicht ernsthaft zu denken. Bernds Position gefiel mir allerdings weniger. Er fing sich einen verdoppelten Holzagraringenieur auf dem Damenflügel ein, der theoretisch leicht zur Schwäche werden könnte. Ansonsten gab’s im Tegeler Stadion aber nichts Neues.

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Klaus Bischoff

Nach einer weiteren halben Stunde kristallisierten sich einige weitere interessante Partien heraus. Besondere Aufmerksamkeit widmete ich dabei der Begegnung zwischen Matthias Thesing und Mihail Agopov, die sich scheinbar auf den schwarzen Feldern des Damenflügels entscheiden würde. Unklar war, wie Matthias seinen angenagelten Läufer c8 ins Spiel bringen wollte. Insgesamt war der Kampf jedoch im dynamischen Gleichgewicht.

Gewisse taktische Brisanz ergab sich kurz danach allerdings auf dem Brett von Klaus Bischoff. Hier nahm plötzlich der Berliner Schachfreund Krämer das Heft in die Hand. Meine gefühlte Einschätzung über den Kampf geriet danach kräftig ins Trudeln.

Gegen 16.30 Uhr musste Matthias Thesing zunächst ein zu tief eingesetzter Ohrstöpsel herausoperiert werden. Mannschaftsarzt Geilmann waltete seines Amtes. Schachlich blieb aber alles mehr oder minder unklar.

Um kurz vor 17.00 Uhr materialisierten sich meine Befürchtungen. Klaus Bischoff verlor seine Partie. (0:1). Die Waagschale neigte sich nun ganz klar in Berliner Richtung.

17.15 Uhr. Remisangebot bei Ilja Zaragatski. Der hatte bisher recht unauffällig gespielt und im Prinzip auch keine sonderlichen Perspektiven. (0,5:1,5).

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Igor Glek

Während dessen verwickelte sich Igor irgendwie in die eigenen Fallstricke und musste sich seinem starken Gegner beugen. (0,5:2,5). Auch Matthias stand inzwischen ziemlich bedenklich. Insgesamt eine hässliche Situation.

Kaum eine Viertelstunde später sprang auch Matthias in Freitod (0,5:3,5). Bittere Ohrfeigen, zumal auf keinem der verbleibenden Katernberger Bretter irgendwelche Gewinnpunkte in Sicht waren. Der totale Einbruch ins Eis!

Um 18.00 Uhr war der Keks dann gegessen. Der nächste Lemming stürzte sich über die Klippen! Nazar stellte aus heiterem Himmel einen ganzen Springer weg. (0,5:4,5). Zum Wegsehen.

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Nazar Firman

Beim lustlosen Kontrollgang um 18.30 Uhr ergaben sich bei den Restpartien keine Lichtblicke mehr. Sebastian stand auf Verlust, Vladimir zappelte noch ein wenig und Bernd hatte ein fast sicheres Remis.

Ein wenig später dann die Bestätigung der lockeren Einschätzung. Sebastian streckte die Waffel (0,5:5,5) und Bernd machte etwa zeitgleich Remis (1:6).

Der Krampf löste sich schließlich nach etwas mehr als 6 Stunden mit der Verlustpartie von Vladimir (1:7). Eine klassische Klatsche!

Brett SF Berlin SF Katernberg Ergebnis
1 Lauber Chuchelov 1 : 0
2 Polzin Firman 1 : 0
3 Krämer Bischoff 1 : 0
4 Schneider Glek 1 : 0
5 Berndt Zaragatski ½ : ½
6 Agopov Thesing 1 : 0
7 Thiede Siebrecht 1 : 0
8. Thinius Rosen ½ : ½

Der Abend endete schließlich beim Italiener um die Ecke. Diese Niederlage, die uns im Zwischenergebnis den 11. Platz einbrachte und damit 2 Plätze in der Tabelle kosteten, musste erst einmal mit reichlich Grappa runtergespült und ordentlich verdaut werden. Trotzdem herzliche Glückwünsche an den Berliner Freundeskreis!

Am nächsten Morgen stand der SK König Tegel auf dem Programm, der am Vortage gegen unseren Reisepartner ähnlich unter die Räder kam. Die Mannschaftsaufstellungen blieben unverändert:

Brett SF Katernberg SK König Tegel
1 Chuchelov Rabiega
2 Firman Stern
3 Bischoff Muse, M.
4 Glek von Hermann
5 Zaragatski Muse, D
6 Thesing Sarbok
7 Siebrecht Jahnz
8 Rosen Kachibadze

Katernberg war einmal mehr Elofavorit. Aber was das bedeutet, hatte ich ja gestern äußerst schmerzhaft zu spüren bekommen.

Nach 30 Spielminuten ergab sich ein durchaus positiver Eindruck. Allenthalben gute Eröffnungsarbeit. Bei der Partie Jahnz – Siebrecht war ich mir auf den ersten Blick allerdings nicht ganz sicher. Sebastian hatte zwar bereits einen Bauern mehr, doch schien mir, dass seine Königsstellung dadurch zunächst etwas luftig und später der Entwicklungsnachteil schon recht deutlich war.

Die 60. Spielminute sah keine großen Veränderungen. Igor hatte allerdings inzwischen eine richtig gute Stellung.

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Sebastian Siebrecht

Um 11.30 Uhr gab Sebastian zur Stellungsentlastung eine Qualität. Es sah zumindest bei überschlägiger Beurteilung so aus, als ob er hierfür genügend Kompensation erhalten würde. Bernd und Matthias hatten ebenfalls ein wenig Material ins Geschäft gesteckt. Ansonsten Nichts Neues im Osten.

Hört Ihr Leute, lasst Euch sagen: Die Uhr hat eben 12 geschlagen. In Stadt und Land ist alles wohl. Bernd stand inzwischen richtig gut; das Gleiche galt für Igor und Nazar. Wie Sebastians und Vladimirs Positionen inzwischen einzuschätzen waren, darüber stritten die Experten aber. Der Rest vom Fest war noch ziemlich unentschieden, wobei sich Matthias mit schnellen Schritten des Remis zu nähern schien und die Stellung von Klaus sehr bequem zu spielen war. Richtige Sorgen musste man sich also nicht machen.

Man hatte nach 2½ Stunden den Eindruck, als ob die Partien nun in die entscheidende Phase eintreten würden. Die Weichen waren gestellt. Doch wohin würde es gehen? Eigentlich stand im Moment nur Vladimir etwas unbequem.

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Matthias Thesing

Das 1. Tagesergebnis erspielte sich dann Klaus Bischoff. (0,5:0,5). Angesichts des doch recht ausgeglichenen Partieverlaufs ein weitgehend gerechtes Resultat. Bei den übrigen Brettern veränderte sich wenig, wobei sich Vladimir inzwischen zu befreien und der Vorteil von Igor nicht mehr ganz so deutlich schien; auch bei Sebastian sahen die Auguren wieder Land.

Das erste Tor für Katernberg schoss dann etwas unerwartet Sebastian! Offensichtlich hatte er in hoher Zeitnot seines Gegners plötzlich auf Mattmodus gestellt! (1,5:0,5). Fast Zeitgleich strich dann auch Matthias einen überraschenden Gewinnpunkt ein. (2,5:0,5).

Und das Siegen nahm kein Ende. Bernd vollstreckte das sich schon länger abzeichnende Todesurteil (3,5:0,5) und Igor tat des Gleichen (4,5:0,5). 2 Mannschaftspunkte! Alles wieder gut!

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Bernd Rosen

Es folgte der schon ebenfalls erwartete Gewinnpunkt von Nazar. (5,5:0,5).

Leider konnte dann Vladimir aber nicht mehr mithalten. Er zollte offenbar seiner doch relativ hohen Zeitnot Tribut und musste sich nach einem Fingerfehler geschlagen geben. (5,5:1,5).

Den Schlusspunkt setzte dann Ilja mit einem Remis in wahrscheinlich leicht vorteilhafter Stellung. (6:2).

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Ilja Zaragatski

…und das, obwohl der Teamchef am Vortage doch noch auf seine geplante Trapatoni-Rede verzichtet hatte („…Was erlauben Mannschaft?! Käpt’n kein Idiot, kann sehn, was ist auf Brett! Team hat gespielt wie Flasche leer! Ich habe fertig…!“)!

Hier noch mal das aus Katernberger Sicht nette Abschlusstableau:

Brett SF Katernberg SK König Tegel Ergebnis
1 Chuchelov Rabiega 0 : 1
2 Firman Stern 1 : 0
3 Bischoff Muse, M. ½ : ½
4 Glek von Hermann 1 : 0
5 Zaragatski Muse, D ½ : ½
6 Thesing Sarbok 1 : 0
7 Siebrecht Jahnz 1 : 0
8 Rosen Kachibadze 1 : 0

Mein Dank an unsere Tegeler Freunde für die wirklich herzliche Gastfreundschaft!

Noch ein kleiner Epilog:

Bernd hatte uns etwas optimistisch einen relativ frühen Intercity gebucht. Der fiel dann aber wegen eines technischen Defektes aus. Der Ersatzzug, der uns angeboten wurde, drohte voll wie Bolle zu werden. Wir bekamen aber von einem netten Bahnbeamten den Tipp, uns vom Hauptbahnhof zum Ostbahnhof zu begeben. Da sollte der Intercity nämlich eingesetzt werden.

Gesagt getan!

Das Resultat: Nach langem Suchen fanden sich schließlich nicht reservierte Plätze – aber „leider“ nur in der 1. Klasse.

Doch auch hier kam uns eine nette Zugbegleiterin entgegen. Wir durften tatsächlich ohne Mehrkosten oder Murren sitzen bleiben. Deshalb ein freundliches Dankeschön auch an das überaus flexible Bahnpersonal!

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