Chancenwucher im Münsterland

Geschrieben am 03.11.2025 von Bernd Rosen

SFK II verliert in Südlohn

Wir kennen das vom Fußball: Eine Mannschaft ist drückend überlegen, erspielt sich Torchance um Torchance, aber der Ball will einfach nicht über die Linie. Und aus einem gegnerischen Standard fällt dann irgendwann das 0:1 - die Punkte sind futsch. Ähnlich war der Kampfverlauf beim gestrigen Spitzenspiel der NRW-Klasse: Mit zwei Siegen im Gepäck fuhren wir nach Südlohn, die ebenfalls 4:0 Mannschaftspunkte aufwiesen. Die meisten Bretter waren ungefähr gleichwertig besetzt, nur an 1 und 3 hatte Südlohn jeweils runde 200 ELO-Punkte mehr aufzuweisen.

Mein Eindruck während der Begegnung war, dass wir an nahezu allen Brettern zumindest angenehmer standen. Dank des Schiedsrichters Franz Schulze Bisping, der noch am selben Abend alle Partienotationen an die beiden Mannschaftsführer übersandte (Danke, Franz!), konnte ich diesen Eindruck inzwischen überprüfen und feststellen, dass diese Niederlage wirklich absolut überflüssig war, weil wir so viele halbe und ganze Punkte haben liegen lassen, dass es gleich für mehrere Mannschaftskämpfe gereicht hätte. Geteiltes Leid ist angeblich halbes Leid, also nachfolgend die entscheidenden Momente des Kampfes in der Kurzfassung:

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Martin Villwock - Christian Scho

23.Lg3  Martin hat den auf g4 platzierten schwarzen Springer beseitigt und dabei sogar einen Bauern gewonnen. Anstatt nun den schwarzen Druck auf der Diagonale g1-a7 beginnend mit Lf2 zu neutralisieren, fasst Weiß den deutlich aktiveren Plan, die schwarze Stellung mit Lxe5 gefolgt von f5-f6 sofort aus den Angeln zu heben. Nur so sind die nächsten Züge zu erklären. 23...Ld4 24.c5 Db5 25.Sf2? 25.Te1 Lxc5 26.Lf2 wäre immer noch besser für Weiß. 25...Lxc5 26.Lxe5 Die Kombination wird verwirklicht, lässt sich aber leider leicht widerlegen: 26...Lxf2! Natürlich - nun kann die schwarze Dame auf e5 schlagen. 27.Lxf6 gxf6 28.Txf2 De5 Weiß hat keinerlei Kompensation für die geopferte Figur.

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Wolfgang Hater - Nikita Gorainow

14...Sxe4! Mit diesem starken Opfer sollte Schwarz in Vorteil kommen. 15.Dxe4 Sd4 16.Txd4! Noch die beste Chance für Weiß. 16...Lxe4? Für die Dame erhält Weiß drei Leichtfiguren - die Stellung ist dann sogar besser für ihn. Stattdessen hätte Schwarz nach 16...cxd4 Vorteil behalten, z.B. 17.Dh4 Lxg5 18.Sxg5 h6 19.Sxe4 Lxe4 20.Dxe4 dxc3. Nach dem Partiezug verlor Nikita schnell, zumal er schon sehr viel Zeit verbraucht hatte.

Schauen wir uns nach den Niederlagen die Remispartien an:

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Volker Gassmann - Reinhard Funke

Weiß steht gegen den schwarzen Isolani deutlich angenehmer, vor allem weil er schon die c-Linie besetzt hat und auch das Feld b5 schwach ist. 13.Lxb8? Mit diesem Tausch vergibt Volker einen Großteil seinen Vorteils. Besser war 14.Sd4!, z.B. 14...Sxf4 15.exf4 Sc6 16.Sxe6 fxe6 17.Lg4 und der Be6 geht verloren. 13...Txb8 14.Sd4 Sf6 15.Db3 Dd6 16.h3? Hier wäre 16.Scb5 noch immer sehr aussichtsreich gewesen. Eine dritte Chance erhielt Volker in der Partie nicht mehr.

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Natia Engels - Marcus Bee

Da Marcus am Nebenbrett spielte, habe ich diese Stellung mit Interesse betrachtet. Obwohl er die deutlich bessere Bedenkzeit hatte, zog Marcus fast á tempo fxg5. Ich hatte mich gefragt, was denn passiert, wenn Schwarz Dxd6 spielt. In der Tat hätte das zu schwarzem Vorteil geführt: 21...Dxd6 22.Sxe4 dxe4 23.Dc4+ De6 24.Dxe6+ Txe6 25.Sg4 Td6 Die schwarze Stellung ist deutlich angenehmer zu spielen. Statt dessen folgte 21...fxg5 22.Lxf8 Txf8 23.fxg5 Sxg5 mit baldigem Remisschluss.

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Jan Dette - Aflatun Mamedov

Die beiden Weißbretter von Jan und mir waren diejenigen, an denen wir die größten ELO-Nachteile hatten. Leider vergaben ausgerechnet wir beide die klarsten Gewinnmöglichkeiten: In der Diagrammstellung hätte Jan statt des Partiezuges 25.d5? mit 25.Txe6! ein starkes Qualitätsopfer spielen können. Vermutlich hat er nach 25...fxe6 26.Txe6 Dd5 nicht mehr weiter gerechnet - aber der Rechner zeigt, dass Schwarz nach 27.De3 keine Verteidigung gegen den Plan Lh6 und Te7 hat. Später verpasste er im Endspiel einen noch viel klareren Gewinn:

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Hier hätte Jan statt des Partiezuges 36.Ta1? mit 36.Tdc1! gewinnen können, denn gegen 37.Tc8! gibt es keine Verteidigung.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Auch ich reihte mich gegen unseren früheren Mannschaftskollegen Bosko Tomic in die Reihe der spendablen Spieler ein:

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Bernd Rosen - Bosko Tomic

Eine klare Gewinnstellung für Weiß: Der Ta1 steht vor dem Bauern schlecht, und der Lg8 ist dem Springer deutlich überlegen. Zuletzt hatte Schwarz seinen König von f6 nach e7 zurückgezogen - ein Eingeständnis, dass er keine aktiven Möglichkeiten mehr besitzt. Zudem war auch seine Bedenkzeit praktisch aufgebraucht, während ich immerhin noch eine knappe Viertelstunde auf der Uhr hatte. 51.g5? Das erschwert die Gewinnführung unnötig. Bei weißfeldrigem Läufer wollte ich die Bauern auf schwarzen Feldern halten. Hier geht es aber darum, einen Freibauern zu bilden, und dafür ist h4-h5 natürlich wesentlich besser geeignet. 51...g6 Natürlich - Schwarz blockiert. 52.Ta7+? Mir gefiel es, den König auf die Grundreihe zurückzudrängen. Stattdessen hätte 52.Lh7 den g-Bauern erobert, ohne den a-Bauern aus den Augen zu lassen. Auf 52...Sf5 folgt 53.h5! Sh4+ 54.Kg3 Sf5+ 55.Kh2+- 52...Kf8 53.Le6 Te1 54.Ld5? Hier wäre 54.Lg4! noch immer gut genug gewesen. In der Partie ließ ich den schwarzen Turm auf die 3. Reihe, und dann erwies sich die Stellung als nicht mehr gewinnbar.

Hier können Sie die besprochenen Partien noch einmal nachspielen. Außerdem noch ein paar Fotos vom Kampf - auch hierfür ein Dankeschön an den Schiedsrichter Franz!

Die Partien zum Nachspielen

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