Da war mehr drin (3/7)
Geschrieben am 10.02.2021 von Lukas Schimnatkowski
Auch die dritte Runde der DSOL hatte wieder einiges zu bieten. Allem voran ist die von Timo Küppers und Jan Dette gestaltete Live-Show auf der Streaming-Plattform Twitch zu erwähnen, die bei ihrer Premiere einige Zuschauer unterhalten konnte. Dabei kommentierten und analysierten Timo und Jan die Partien des Kampfes von SFK I gegen den SK Ludwigshafen. Auch über diesen Weg nochmal ein Dankeschön an alle Zuschauer und natürlich freuen wir uns immer über Anregungen und Feedback, um das gemeinsame Streamerlebnis weiter zu verbessern. Trotzdem wird natürlich auch hier auf unserer Homepage weiter über die schachlichen Highlights berichtet.
SFK I
Die tabellarische Ausgangsposition hätte wohl nicht besser sein können: Mit den bisherigen zwei Siegen waren wir an der alleinigen Spitze der Tabelle gelandet, ein Sieg gegen den SK Ludwigshafen würde wohl gut tun, um den Abstand auf Deizisau zu wahren, die in einem mal wieder spannenden Mannschaftskampf gegen Dinslaken bereits zwei weitere Mannschaftspunkte geholt hatten.
Schon vor dem Kampf gab es allerdings den ersten Rückschlag zu verzeichnen: Der zuverlässige Punktelieferant Thomas Wessendorf musste leider kurzfristig absagen, sodass ein Ersatzmann hermusste. Glücklicherweise erklärte sich Tamás Kiss bereit, kurzfristig einzuspringen. Tamás hatte auch direkt eine schwierige Aufgabe vor sich, als der gegnerische Spieler nach 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.c4 Sb6 4.d4 d6 5.Sf3!? Sc6?! (5...Lg4 oder 5...g6 sind bessere Antworten) 6.Sc3 dxe5?! (6...Lg4 ist nötig) 7.d5 Sb8 8.Sxe5 e6 mit 9.Sxf7! selbstbewusst eine Figur opferte. Dieses Opfer ist langfristiger Natur, weil sich der schwarze König nach den erzwungenen Zügen 9...Kxf7 10.dxe6+ Ke8 11.Dh5+ g6 12.De5 Tg8 13.c5! dauerhaft in der Brettmitte aufhalten muss, während die anderen schwarzen Figuren nicht gut entwickelt werden können. Im weiteren Verlauf der Partie konnte Weiß erheblichen Materialvorteil ergattern und die Lage entwickelte sich zunehmend hoffnungsloser, bis nach 35.De2? folgende Stellung entstand:
Hier wäre spielte Tamásin größter Zeitnot 35...Th8?, um den Läufer h7 zu kassieren, allerdings erhält Weiß dafür den Läufer c2. Ein phänomenales Comeback wäre 35...Sd4!! gewesen und nach 36.Dc4+ Kg7= sammelt der schwarze König den Läufer gratis ein und die Stellung ist auf einmal wieder ausgeglichen, weil Schwarz danach bei guter Koordination einen Turm und zwei Läufer für die Dame hat. Im restlichen Verlauf der Partie war dann für Tamás nichts mehr zu machen.
Einmal mehr vom Pech verfolgt wurde auch Bernd Rosen, der an Brett 1 natürlich auch immer die härtesten Aufgaben gestellt bekommt. Bemerkenswerterweise eröffnete Bernd mit Sizilianisch, was den Gegner wohl so sehr schockierte, dass dieser nach 1.e4 c5 2.Sf3 e6 zu 3.g3 griff. Nach 3...Sc6 4.Lg2 folgte dann aber 4...g6? 5.d4! und Weiß geht einfach in einen offenen Sizilianer über, allerdings ist die schwarze Stellung durch die Bauernzüge e6 und g6 so nachhaltig geschwächt, dass es keine Perspektive auf eine schwarze Spielidee gibt. Bernd versuchte mit 16...b5!? Komplikationen anzuzetteln, die aber leider nicht ausreichten, um etwas Zählbares aus dieser Partie herauszuholen.
Trotz dieses 0-2-Rückstandes hatten auch die Kommentatoren der Live-Show noch berechtigte Hoffnung, zumindest das Mannschaftsremis zustandezubringen. Max Heldt hatte nach zwischenzeitlich seltsamen Partieverlauf eine aussichtsreiche Stellung erreicht:
Max entschloss sich hier zum sofortigen 25.Dxd6, was mir nicht gefiel, weil nach 26...Lxe2 27.Lxe2 Txe4 das weiße Zentrum zerteilt wurde. Deswegen dürfte 25.Kf2! der bessere Zug gewesen sein, weil der König jetzt bereit ist, auf e2 zurückzuschlagen, z.B.: 25...Lxe2 26.Kxe2 Dc7 27.e5! und Weiß hat großen Vorteil. In der Partie wurden jedoch die Damen getauscht, und als Max einen Trick übersah, der zu Turmtausch führte, war das ungleichfarbige Läuferendspiel natürlich Remis.
Somit war die mannschaftliche Niederlage nicht mehr abzuwenden, trotzdem bemühte ich mich um den Ehrentreffer, nachdem mein Gegner mir nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.0-0 d6 5.c3 mit 5...Df6?! einen völlig unbekannten Zug vorsetzte, der daher auch nicht besonders gut sein konnte. Nachdem ich am Damenflügel erheblich expandieren und die schwarzen Figuren zurückdrängen konnte, spielte ich aber wohl etwas zu flexibel, anstatt konsequent gegnerische Schwächen unter Druck zu setzen. Nachdem mein Gegner mit der Umgruppierung La7-b8-c7 ein starkes Manöver gefunden hatte, entstand ein kritischer Moment:
Ich spielte zu sorglos 19.Db4? und erschrak nach 19...d5!, denn damit gleicht Schwarz locker aus, obwohl die schwarzen Figuren schlecht postiert sind. In Zeitnot ließ ich mich von meinem stark aufspielenden Gegner weiter auskontern, bis am Ende eine weitere bittere Niederlage stand. Hätte ich 19.dxe5! eingeschaltet, wäre es wohl nicht dazu gekommen: Nach 19...dxe5 (Nach 19...Sxe5?! 20.Sxe5 dxe5 21.Txd8 Lxd8 22.Lb6 hat Weiß klaren Vorteil) kann man die Schwäche auf a5 mit 20.Sg3 einfach ignorieren, denn wenn 20...Txa5?!, dann folgt 21.Txa5 Lxa5 22.Sh5! Dg6 23.Da3 und Weiß hat wieder Vorteil, denn nach 23...Dxh5? würde 24.Dxe7 Tf8 25.Txd7 folgen.
Am Ende ging dieser Kampf deutlich zu einseitig aus, mit ein bisschen mehr Spielglück wäre zumindest ein 2:2 locker drin gewesen. Nun müssen wir uns in der nächsten Runde am 23.02. (natürlich auch wieder mit Live-Kommentar auf Twitch) gegen den SV Osnabrück den Weg zurück in den oberen Bereich der Tabelle kämpfen.
SFK II
Die zweite Mannschaft traf in der dritten Runde auf den SK Wunstorf. Da in dieser Liga fast alle Mannschaften nominell gleich stark sind, war auch hier der Ausgang des Kampfes völlig offen. Von Anfang an Probleme hatte allerdings Edwin Otremba, der gegen das Morra-Gambit nicht das richtige Rezept fand. Anstatt wie im Morra-Gambit üblich immer einen Bauern mehr zu haben, gingen im Verlauf der Partie immer mehr von Edwins Bauern verloren, sodass Wunstorf in Führung ging, 0-1.
Hoffnung machte dafür die Partie von Tilman Klimek, weil der gegnerische Spieler nach 1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d4 exd4 4.Sf3 Sc6 5.0-0 Sxe4 mit 6.Sxd4? schlichtweg einen Bauern verloren hatte. Schon nach wenigen weiteren Zügen hatte Tilman eine hochüberlegene Stellung erreicht:
Hier entschied sich Tilman zu 15...Df6, was den sofortigen K.O. auslässt: Sofort gewonnen hätte 15...Txe1+! 16.Txe1 Sxd4 17.Lxd4 Dh4!-+ und Weiß kann aufgeben. Stattdessen ging die Partie mit 16.c3 Ld6 17.Sf1 Tab8 18.Sb3 weiter, wonach Tilman sich mit 18...Tb5? verzettelte. Der Turm stand die restliche Parie im Abseits und wenig später führte die unbesetzte schwarze Grundreihe zu taktischen Problemen, sodass diese Partie sehr unglücklich verloren ging, 0-2.
Leider brachte auch die Partie von Lasse Struck zunächst Ernüchterung. Nach 1.d4 e6 2.e4 b6?! 3.Ld3 Lb7 4.Sf3 Se7 5.De2 d6 6.Lg5 f6? 7.Lh4 Sg6 8.Lg3 e5 entsteht diese Stellung:
Hier beging Lasse mit 9.c4?? den strategischen Fehler, die Stellung geschlossen zu halten. Außerdem wird dadurch das Feld c4 blockiert, obwohl dort natürlich der weiße Läufer perfekt platziert wäre, um den schwarzen König für lange Zeit in der Brettmitte zu halten. Es folgte 9...Sc6 10.d5 Sb4 und Schwarz wurde für f7-f6 nicht bestraft. Ich glaube, dass Weiß nach 9.h4! bereits gewinnbringenden Vorteil gehabt hätte. Nach 9...h5 (dieser Zug scheint erzwungen, weil Schwarz 10.h5 nicht zulassen darf) 10.Sc3 Sc6 überzeugt 11.0-0-0 nebst Lc4 und nachdem Weiß das Zentrum geöffnet hat, fällt die schwarze Stellung endgültig zusammen. Die Partie wurde aber mit ihrem zunehmenden Verlauf immer komplizierter, bis folgende Stellung entstand:
Lasse spielte das natürliche 32.Sc3 und tatsächlich gibt es hier nur eine schwierig zu sehende Sequenz, die Schwarz im Spiel hält. Der gegnerische Spieler zog allerdings 32...Ld7?, wonach 33.Sc6! den weißen Vorteil dingfest macht. Es folgte 33...Lxc6? 34.dxc6 Dg6 35.Sd5 Txc6 (auch andere Züge verlieren wegen 36.c7!+-) 36.Se7+ Lxe7 37.Dd5+ und Lasse gewann in Folge leicht, 1-2. Es hätte für Schwarz nach 32.Sc3 aber tatsächlich noch eine Rettung gegeben: Der Computer zeigt 32...Lb6! 33.Sxb5 Lxf2 34.Lxf2 (=34.Dxf2 gefolgt von den jeweils einzigen Zügen 34...Tb8 35.Dc2 h6 36.Sc7 Txb4 37.Se6 und danach folgt in etlichen Varianten Dauerschach auf beiden Seiten) 34...Sxf3 35.gxf3 Dxf3+ 36.Kg1 und 36...Dxe4 mit anschließendem Dauerschach auf b1, e4 und g6. Eine nahezu unfindbare Sequenz.
Somit richteten sich alle Augen auf die verbleibende Partie von Armin Cremerius, der sich schon den Fairplay-Preis verdient hatte, nachdem er dem Gegner gestattete, einen Zug zurückzunehmen, den dieser wohl versehentlich gespielt hatte. Die Partie bot einige Höhen und Tiefen, im Schwerfigurenendspiel konnte Armin allerdings triumphieren:
Armin spielte hier mit 40.g4! einen eiskalten Gewinnzug. Schwarz wird zu 40...Dg6 gezwungen (sonst geht f7 verloren) und nach 41.Tf5 kann Schwarz die beiden Schwächen f7 und g5 nicht mehr gleichzeitig verteidigen, sodass Weiß einfach gewinnt.
Somit steht am Ende ein 2:2-Unentschieden, was SFK II zunächst in der Tabellenmitte hält. Vielleicht gelingt ja in der nächsten Runde am 22.02. gegen den SC Eintracht Berlin ein Sprung nach oben.