Der KI-Faktor
Geschrieben am 31.07.2022 von Bernd Rosen
SFK spielt mit 2 Mannschaften bei der DVM in Kiel
Das Kürzel KI assoziierte ich bis vor wenigen Tagen mt dem Stichwort Künstliche Intelligenz, das als Modewort derzeit ja in aller Munde ist. Während der Reise zur Deutschen Vereinsmeisterschaft nach Kiel hat sich die Palette der möglichen Bedeutungen für mich beträchtlich erweitert: Zunächst mal fahren dort auffällig viele Autos mit dem Kennzeichen KI durch die Gegend. So manche Partie ließ in meinem Hinterkopf ein rotes Lämpchen aufleuchten, das Kaum Intelligenz signalisierte, und in ganz extremen Situationen wechselte die Signalfarbe zu einem dunkelroten Keine Intelligenz. Natürlich lieferten unsere Jugendspieler auch viele tolle Partien ab, und öfter als dem Trainer lieb sein kann folgten Höhen und Tiefen in ein und derselben Partie in so schneller Folge, dass man schon an eine spezifische Katernberger Intelligenz glauben möchte.
Wegen Corona wurde die DVM des Jahres 2021, die traditionell zwischen Weihnachten und Neujahr ausgetragen wird, kurzerhand mitten in die Sommerferien verlegt. Deshalb verzichteten einige Vereine auf den Start, weil sie schlicht keine Mannschaft zusammenbekamen. Zunächst erhielt unsere U16 einen Freiplatz - hier konnten wir mit Mykola, Nils, Jonas und Lukas R. eine spielstarke Mannschaft melden. Wenig später kam auch noch die U20 zum Zug. Und auch hier gelang es Timo mit großem Einsatz, aus 8 Spielern eine Mannschaft zusammenzupuzzeln, die allerdings eher unter dem olympischen Motto antrat: Dabeisein ist alles. Denn Ole und Lukas L. spielen ihre erste Saison überhaupt, Isabel (wegen des Abiturs) und Valentin hatten zuletzt sehr wenig Praxis. Auf jeden Fall ein großes Lob an unsere Jugendspieler, die z. T. sogar ihren Urlaub abbtrachen (Nils, Lukas L.), um in Kiel mitspielen zu können. Bei diesem Engagement wollte auch ich nicht zurückstehen und meldete mich als 2. Trainer neben Timo zum Einsatz, obwohl es beruflich gar nicht gut passte.
Da Benjamin erst am Sonntag abreiste, Nikita schon am Montag zurück nach Essen musste und überhaupt irgendwer immer unterwegs war, war es gar nicht so einfach, alle Mitglieder unserer Delegation gemeinsam aufs Bild zuu bekommen. Auch bei diesem Gruppenfoto musste die Bildbearbeitung kräftig nachhelfen:
Turnierverlauf U20
Die U20 verlor leider vor Ort noch Valentin an die U16, weil wir trotz gegenteiliger Absprachen im Vorfeld plötzlich doch nur 7 Spieler melden durften. Damit mussten Yakub, Nikita, Noel, Isabel, Ole und Lukas L. in den ersten vier Runden durchspielen. Die erste Runde bescherte uns mit Brackel einen der Favoriten. Als ich nach einem ausgedehnten Spaziergang wieder zum Spiellokal zurückkehrte, saß Lukas L. wie ein Häufchen Elend vor der Jugendherberge. Sein Leiden lässt sich in zwei Bildern schnell erklären:
Hier gewann Lukas mit 9.Sh4! die schwarze Dame...
... und hier wurde er nach 41.Th5?? durch 41...Te1 mattgesetzt.
Am Ende stand eine 5:1 Niederlage, bei der Yakub am Spitzenbrett für den Ehrentreffer sorgte.
Um so unglaublicher die Wendung in der 2. Runde: Auch gegen Titelverteidiger Augsburg war unsere Auswahl klarer Außenseiter, aber am Ende stand ein sensationeller 3,5:2,5 Sieg! Neben dem erneut siegreichen Yakub punkteten mit Ole und Lukas genau unsere 2 Debütanten, die wie oben schon erwähnt ihre allererste Saison in einem Schachverein spielen! Das Remis steuerte Noel bei, der zuvor haushoch überlegen gestanden hatte.
Leider hatte unsere U20 ihr Pulver damit schon verschossen: Selbst in der letzten Runde gestattete das Team dem Schlusslicht Biebertal den einzigen Sieg. Damit hat sich die Mannschaft etwas unter Wert geschlagen. Ein großartiges Turnier spielte Lukas, der auf 3,5 Punkte aus 6 Runden kam (in der 5. Runde war das Team spielfrei). Auch Yakub kam auf sehr gute 3,5 Punkte, allerdings wäre nach dem Bombenstart mit 2:0 Punkten und auch nach dem Verlauf der Partien wesentlich mehr drin gewesen. Nicht leicht zu erklären ist vor allem der Umstand, dass er alle nominell stärkeren Gegner besiegte und gegen die drei nominell schwächeren Spieler nur einen halben Punkt holte.
Weitere Informationen zum Turnierverlauf gibt es bei der Deutschen Schachjugend. Auch die DWZ-Auswertung ist bereits raus, damit lassen sich die Ergebnisse unserer Spieler:innen am besten einordnen: DWZ-Auswertung DVM U20
Hier das Team (ohne Nikita) beim Abschlussfoto mit den Teilnahmeurkunden:
Turnierverlauf U16
Seit 2009 habe ich schon einige Katernberger Mannschaften zu Deutschen Vereinsmeisterschaften begleitet. Bei diesem Start gab es eine Premiere: Erstmals rangierte unsere Auswahl in der ersten Hälfte der Setzliste! Das ist natürlich vor allem Mykola zu verdanken, der als 11jähriger auch bei diesem Turnier die Bürde das Spitzenbrettes übernahm und sich dort bravourös schlug. Trotz niedriger DWZ-Zahl im Vergleich mit Nils vertrauten Timo und ich Jonas das 2. Brett an: Zum einen verfügt er über die größere DVM-Erfahrung, zum anderen hofften wir darauf, dass Nils am 3. Brett punkten würde. Das 4. Brett teilten sich Lukas R. und Valentin.
Nach dem 3:1 Auftaktsieg gegen Jena trafen wir schon in der 2. Runde auf den Setzlistenersten Mattnetz Berlin. Hier gelang Jonas ein klarer Sieg aus der Vorbereitung heraus - so wie sein Gegner Holländisch behandelt darf man diese ohnehin riskante Eröffnung nicht spielen! Da Nils in einer scharfen Partie zum Remis kam und Mykola am Spitzenbrett mit Minusqualität einer Niederlage entgegen steuerte, hing alles an der Partie von Lukas. Der stand zunächst auf Gewinn, nach einer Serie schwacher Züge klar auf Verlust, rettete sich mit einem fantastischen Trick in eine Remisstellung - und lief dann in Zeitnot mit seinem König ins Verderben... Schade, gegen Berlin wäre auch ein Sieg oder ein Unentschieden drin gewesen. Hier die Partie von Lukas:
Nach zwei Siegen gegen Dresden und Eilendorf (letzterer fiel mit 3,5:0,5 überraschend hoch aus) stand mit Hamburg der nächste "dicke Brocken" auf dem Programm. Nils stand nach der Eröffnung komplett auf Verlust, überlebte aber dank tatkräftiger Mithilfe des Gegners und siegte am Ende sogar noch. Valentin erreichte eine sehr aussichtsreiche Stellung, überschätzte jedoch seine Möglichkeiten und verlor unglücklich. Jonas wollte in nur angenehmerer Stellung ebenfalls zu viel und zog ebenfalls den Kürzeren. Die Partie des Tages spielte Mykola, der sich gegen seinen deutlich stärkeren Gegner heldenhaft verteidigte und in dessen Zeitnot seinen Kopf sehenswert aus der Schlinge zog:
Ein aufregender Kampf, doch es war uns keine Atempause vergönnt! In der Nachmittagsrunde trafen wir auf Münster, das nicht nur in der Setzliste weit oben gestanden hatte, sondern als einziges Team alle Kämpfe gewonnen hatte und die Tabelle aktuell mit drei Punkten Vorsprung anführte. Mit einem Sieg gegen uns wären sioe also schon durch... Leider endete auch diese Begegnung "nur" mit einem Unentschieden. Lukas gewann klar (mit einer einzigen Ungenauigkeit, die unbemerkt blieb), Nils siegte ebenfalls in einem strategisch überlegen geführten Najdorf-Sizilianer. Jonas schien sich schon aus dem Schlamassel befreit zu haben, als er in Zeitnot die Partie wieder einstellte. Mykola leistete im Endspiel schier unglaublichen Widerstand, aber letztlich stand die Null. Die Partie des Tages war für mich der Sieg von Nils:
Das war schon der dritte Kampf, in dem wir zwar gezeigt hatten, dass wir mit den drei Topmannschaften mithalten können, den Sieg am Ende aber verpassten. Vielleicht war es ja ein schlechtes Omen, dass mir am Vormittag eine Möwe begegnete, die ebenfalls vergeblich versuchte, eine Miesmuschel zu öffnen, und ihren Fang am Ende frustriert ins Meer warf:
Vor der letzten Runde war sogar noch eine Medaille möglich. Mit Brombach hatten wir erstmals wieder einen Gegner mit etwas niedrigerem DWZ-Schnitt. Leider konnte die Mannschaft in diesem Kampf nicht an die zuletzt gezeigten Leistungen anknüpfen: Jonas verzichtete auf Gewinnversuche in ausgeglichener Stellung, Mykola durfte froh sein, dass sein Gegner in leicht besserer Stellung auf Gewinnversuche verzichtete, und Lukas erreichte zunächst eine positionell deutlich bessere Stellung, versuchte aber dann zu gekünstelt, diesen Vorteil zu verwerten. Somit hing alles an unserem "Topscorer" Nils (5,5 aus 6!), der diesmal aber auf einen sehr starken Gegner stieß, der zuvor 5:1 Punkte erzielt hatte. In der kritischen Stellung verpasste Nils den einzigen Zug, der nach haarsträubenden Verwicklungen zum Remis geführt hätte:
Durch diese Niederlage fiel die Mannschaft noch auf den 7. Platz zurück. Schwacher Trost: Auch bei einem Sieg wären wir auf Platz 4 haarscharf an einer Medaille vorbeigeschrammt. Gar kein Trost: Die so stark gestarteten Münsteraner verloren in der letzten Runde deutlich gegen Hamburg und wurden nur noch Dritter. Sieger wurde Mattnetz Berlin, das als einzige der drei Spitzenmannschaften gegen und gewonnen hatte.
Alle Ergebnisse stehen auch hier bei der Deutschen Schachjugend. Ein Blick in die DWZ-Auswertung zeigt, dass bis auf Valentin alle Spieler ein leichtes bis deutliches DWZ-Plus erspielt haben.
Auch hier ein Mannschaftsfoto zum Abschluss: