Drittklassig - und jetzt?

Geschrieben am 06.06.2017 von Bernd Rosen

SFK steigt aus der 2. Bundesliga ab

Mit Recht bemängeln viele regelmäßige Besucher unserer Homepage, dass an dieser Stelle noch nicht über den Abstieg unserer ersten Mannschaft aus der 2. Bundesliga berichtet wurde. Im persönlichen Kontakt war zwar auch Verständnis zu hören für die chronische Überlastung eines ehrenamtlichen Vielfronten-Kämpfers, aber dennoch möchte ich eine Entschuldigung für das Versäumnis an den Anfang dieses Berichtes stellen. Inzwischen hat der Vorstand unter Einbeziehung der Mannschaftsführer über die Konsequenzen beraten, so dass nun auch einige Worte zur Perspektive möglich sind, die über persönliche Betroffenheitsbekundungen hinaus gehen. Zuvor möchte ich jedoch kurz den Verlauf der letzten Kämpfe stichwortartig schildern, um deutlich zu machen, dass der erneute Abstieg keinesfalls "gewollt" war oder auch nur billigend in Kauf genommen wurde.

Porz - SFK 3,5:4,5

Der Bericht über eines der sensationellsten Ergebnisse einer SFK-Mannschaft in der gesamten Vereinsgeschichte fiel als Erstes der Erschöpfung des tatkräftig beteiligten Chronisten zum Opfer: In Porz trafen wir ohne einen einzigen Großmeister im Team auf eine Mannschaft aus 8 Großmeistern, sahen über vier Stunden lang wie der sichere Sieger aus und standen am Ende doch mit leeren Händen da, weil Robert Ris eine nur minimal schlechtere Stellung in Zeitnot komplett misshandelte, sich der Mehrbauer von Robby Kevlishvili als nicht verwertbar herausstellte und am Ende auch Miguel Admiraal kapitulieren musste, der zuvor ein Remisangebot abglehnt hatte. Damit unsere Holländer überhaupt rechtzeitig in Köln am Brett sitzen konnten, hatte ich sie am frühen Morgen in Utrecht am Bahnhof abgeholt. Das waren mal eben über 400 km Fahrt für Essen-Utrecht-Porz. Das i-Tüpfelchen auf einem gebrauchten Tag war dann die Nachricht, dass der direkte Abstiegskonkurrent Aachen überraschend gegen den Favoriten Hofheim gepunktet hatte. Etwas ausführlicher berichtete die lokale Presse über die Ereignisse an den Brettern: SFK stand vor dem Teilerfolg in Porz

Zum Nachspielen hier die Partien dieses Kampfes, von denen natürlich die Siege von Bosko Tomic gegen Loek van Wely und von Arthur Pijpers gegen die Schachlegende Jan Timman besondere Erwähnung verdienen:

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Bochum - SFK 3,5:4,5

Während ich im Einladungsschreiben zu diesem Kampf schon davon schrieb, dass wir uns würdig aus der Liga verabschieden wollen, glaubte Sebastian Siebrecht noch an unsere Chance: Bochum ist m.E. die einzige Mannschaft, die wir noch abfangen können!" Und tatsächlich: Nach dem ersten Saisonsieg war der Klassenerhalt rechnerisch auf einmal wieder möglich. Bei einigem Hin und Her hatten wir diesmal endlich das glücklichere Ende in der Hand. Während ich selbst in unübersichtlicher Stellung bei knapper Zeit wohl einen halben Punkt liegen ließ, spielte Ersatzmann Martin Villwock gegen den deutschen U12-Meister Ruben Köllner nach langer Durststrecke endlich mal wieder eine echte Villwock-Partie, die bei beiderseits in Lebensgefahr schwebenden Königen standesgemäß mit einem Dauerschach endete. Am Ende siegte Miguel Admiraal, weil Marlon Schlawin kurz vor Partieende eine "zufällig" entstandene Ressource in einem schon lange verloren Endspiel übersah. Wegen weiterer Einzelheiten verweise ich auch hier auf den Pressebericht Erster Saisonsieg für SFK in Bochum und auf die Partien:

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SFK - Hofheim 2:6

Alle Rechenspiele nach diesem ersten Saisonsieg zeigten, dass - einen Sieg gegen Hofheim vorausgesetzt - der Klassenerhalt tatsächlich wieder in greifbare Nähe gerückt war. Hofheim lag inzwischen nicht nur hinter den übermächtigen - und praktisch außer Konkurrenz spielenden - Porzern, sondern auch hinter Würselen und Düsseldorf. Doch obwohl die Hessen nicht mit ihrer besten Truppe ins Ruhrgebiet reisten, waren sie nicht nur auf dem Papier deutlich überlegen, sondern auch an den Brettern. Nachdem unsere Jugendhoffnung Timo mit fliegenden Fahnen untergegangen war, riskierte mancher (zu) viel, auch dass Sarah in haushoher Stellung eine Figur einstellte, machte die Niederlage klarer als dem Kampfverlauf angemessen war. Zu recht titelte die Lokalpresse: Für SFK geht mit dem Abstieg eine Ära zu Ende

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Woran hat's gelegen?

Kommen wir zur Gretchenfrage: Was ist schief gelaufen? Diese Frage treibt außer vielen Mitgliedern und Sympathisanten unseres Vereins vor allem auch unseren langjährigen Temchef Ulrich Geilmann um, der mir schreibt:

Man muss feststellen, dass dieser Abstieg v. a. daran lag, dass unsere Stammspieler ihr Potenzial nicht abrufen konnten. Wir waren insgesamt zu schwach! Positive Ergebnisse erzielten lediglich GM Sebastian Siebrecht, IM Dr. Christian Scholz und WGM Sarah Hoolt, die dem Verein seit dem Abstieg aus der 1. Bundesliga dankenswerter Weise die Treue gehalten haben. Bis auf Marcus Bee und Martin Villwock erspielten sich alle anderen Spieler einen deutlich negativen Score. GM Nazar Firman kam erst gar nicht zum Einsatz.

Ich würde gern anfügen, dass unsere besten Spieler vor allem in den entscheidenden Kämpfen nicht zur Verfügung standen. An vielen Stellen fehlten ein paar Prozent Einsatz - auch beim Management der Ersatzspieler stand immer die Sorge mit im Raum, unserer zweiten Mannschaft einen konkurrenzfähigen Kader zu erhalten. Im Nachhinein betrachtet hätte ich mich vielleicht früher einwechseln sollen, aber die Doppelfunktion als Mannschaftsführer und Spieler ist meinem Spiel nicht bekommen, und in der 2. Mannschaft habe ich immerhin einige wichtige Punkte holen können. Nazar Firman ist hauptberuflich in die Schachorganisation seiner Heimatstadt eingebunden und hat aktuell keine Zeit fürs eigene Turnierschach, auch Sebastian Siebrecht ist vom Alles- zum Wenigspieler mutiert, seit er deutschlandweit mit seiner Aktion Faszination Schach auf Tour ist. Sarah Hoolt steht nach ihrem Master-Abschluss an der Uni Duisburg-Essen inzwischen schon einige Jahre in Lohn und Brot und dass sich die nötige Zeit für ein komplettes Bundesligawochenende mit zwei Partien leichter freischaufeln lässt als für nur eine Partie in der zweiten Liga ist nur zu verständlich.

An dieser Stelle ist vielleicht auch ein Blick auf die spezielle Situation in der 2. Liga West angebracht: Von den 10 Vereinen spielt Porz "just for fun" ein Turnier für sich, wird seit Jahren regelmäßig Erster und verzichtet auf den Aufstieg - diese Vereinspolitik wird sich dem Vernehmen nach in der nächsten Saison ändern. Bleiben 9 Mannschaften, die um den Aufstieg (oder doch lieber nicht) oder gegen den Abstieg spielen. Bei drei Absteigern ein hartes Brot, zumal die Teams ganz eng beeinander liegen, wie nicht zuletzt das Beispiel Aachen zeigt: Im Vorjahr wäre die Mannschaft beinahe aufgestiegen, in diesem Jahr in gleicher Besetzung beinahe abgestiegen. Und weil Schach Sport ist (worauf uns vor Jahren schon der erfahrene Vladimir Chuchelov immer wieder hingewiesen hat), steigt am Ende dann ein Traditionsverein wie Katernberg ab, und ein anderer Traditionsverein wie Bochum 31 bleibt drin, womit vor der Saison selbst Urgestein Norbert Franke nicht gerechnet hätte. Ein Erfolg, den sich die junge Bochumer Truppe völlig verdient erkämpft hat, das möchte ich hier ausdrücklich betonen!

In seiner Analyse führt Ulrich Geilmann weiter aus:

Zunächst kann man darüber lamentieren, dass zuletzt die verfügbaren Gelder gefehlt haben. Das stimmt und es ist absolut nicht leicht, für eine so exaltierte Randsportart wie das Schach begeisterungsfähige Förderer oder Mäzene zu finden. Ohne persönliche Kontakte läuft da nichts! Doch haben wir tatsächlich eine nachhaltige Sponsorenpflege betrieben? Ich denke nicht! Da ist in den vergangenen Jahren – so viel darf ich aus dem Nähkästchen plaudern – vieles danebengegangen, wobei es ohne die selbstlose finanzielle Unterstützung einiger Mitglieder schon viel früher den Bach runter gegangen wäre.

Es ist darüber hinaus auch festzuhalten, dass der grundsätzliche Rückhalt im Verein immer stärker fehlte. Ein Schachbundesligawochenende war für die SF Katernberg einst ein sportliches und gesellschaftliches Ereignis. Das Team wurde selbst zu Auswärtskämpfen begleitet; es gab sogar eigene Bustouren! Heute ist das undenkbar; zuletzt musste man ja schon froh sein, wenn bei Heimkämpfen mehr als drei Zuschauer gleichzeitig im Turniersaal waren. Dabei habe ich übrigens nie verstanden, warum man sich die Chance entgehen lässt, seinen Spitzenspielern über die Schulter zu schauen. Waren unsere Spieler etwa zu abgehoben? Ich meine nicht! Die Stimmung im Team war stets familiär und offen!

Auch hier hat Ulrich sicher recht - allerdings ist festzustellen, dass der Abstieg aus der ersten Liga zwar dem Geldmangel geschuldet war, der Abstieg aus der 2. Liga definitv nicht! Im Gegenteil - finanziell ist der Verein so gefestigt, dass auch eine weitere Spielzeit in der 2. Liga problemlos zu stemmen wäre. Was die Sponsorenpflege betrifft, so fallen einem immer Dinge ein, die man auch noch hätte versuchen können. Aber ich denke dabei auch an den Fußballverein Rot-Weiß Essen oder die Handballer von TUSEM Essen, die trotz wesentlich besserer Voraussetzungen ebenfalls immer wieder ins Trudeln geraten. Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Vorsitzende des ruhmreichen RWE Seminare zum Thema "Sponsorengewinnung" angeboten hat. Nun ist denen auch der Hauptsponsor von der Fahne gegangen, ohne dass eine Lösung bislang gelungen wäre. Randnotiz innerhalb der Anmerkung: Besagter Hauptsponsor ist bei uns noch immer im Boot, natürlich in einer vergleichsweise deutlich geringeren Größenordnung. Für mich ein Beleg, dass wir Schachfunktionäre in diesem Spiel mit unseren Zugentscheidungen nur einen geringen Einfluss auf den Ausgang haben.

Zum Thema "Rückhalt im Verein" ließe sich auch vieles sagen. Schon mancher Verein hat sich erst die Sinnfrage gestellt, wem das immense Engagement eigentlich nutzt, und anschließend die Mannschaft aus dem Profibereich zurückgezogen. Aktuell erleben wir die neue Variante, dass eine Mannschaft sich - vergeblich - einen neuen Verein sucht (Trierer Bundesligateam zieht um nach Großbritannien). Mein eigener Elan, mit einem tollen Angebot vor Ort Zuschauer vom Internet weg und in den Turniersaal zu locken, hat im Laufe der Jahre spürbar gelitten. Wenn Zuschauern selbst 4 Euro "Eintritt" zu viel ist, um Anand & Co in den Messehallen Essen in edelstem Ambiente zu erleben, und noch nicht einmal ein Kommentator Klaus Bischoff Publikum anzieht, wird man doch etwas skeptisch, was weitere Aktivitäten betrifft, und legt sich stattdessen lieber ein dickes Fell gegenüber unterschwellig geäußerten Vorwürfen zu, man habe eben immer noch nicht genug Ideen, Zeit und Geld investiert.

Es ließe sich auch lapidar und kürzer formulieren lassen: Mannschaften, die Rückhalt im Verein haben und deren Spieler vor Ort verankert sind, steigen meistens schnell wieder ab. Die Balance haben wir lange gut hinbekommen, mit den Jahren ist es aber immer schwieriger geworden. Unter den Bedingungen der 2 Liga ist es zudem schwer, einen "Team-Spirit" neu zu entwickeln, wenn sich die Mannschaft nur zum Kampf trifft und anschließend schnell wieder die Heimreise antritt.

Und nun?

Wie wir mit der Situation umgehen sollen, darüber haben wir auf einer erweiterten Vorstandssitzung beraten. Dabei war es Werner Nautsch, der wie kein Zweiter über Jahrzehnte hinweg für die Leistungsorientierung des Vereins stand, der (sinngemäß) formulierte: Wir dürfen nicht nur das Negative sehen. Wir haben zahlreiche spielstarke und spielfreudige Mitglieder, eine tolle Jugendabteilung, einen lebendigen Vereinsabend - insgesamt stehen wir auf einem soliden Fundament, um das uns viele andere Schachvereine beneiden würden.

In der Tat! Wobei er bescheidener Weise die Katernberger Senioren gar nicht erwähnt hat. Während viele andere Absteiger nach dem Bundesligaengagement regelrecht ausgeblutet sind, hat sich unsere Mitgliederzahl in den letzten 15 Jahren glatt verdoppelt, die Zahl der Jugendspieler ist von Null auf über 40 gestiegen, die bereits etliche Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene vorweisen können.

Deshalb besteht auch Konsens, dass wir die leistungssportliche Perspektive nicht aufgeben wollen. Wir haben die Mittel und die Bereitschaft, Leistungsträgern eine Aufwandsentschädigung zu zahlen und Jugendspieler bei der Teilnahme an nationalen und internationalen Turnieren zu unterstützen. Die Konzentration soll allerdings auf Spieler aus der Region erfolgen, weite Anreisen für Einsätze in der NRW-Liga erscheinen uns nicht angemessen. Dies wird sicher eine spürbare Änderung des jetztigen Kaders mit sich bringen, da wir zudem keine aktive Abwerbung in großem Stil betreiben werden, stellen wir aus darauf ein, dass die erste Mannschaft in der nächsten Saison in der NRW-Liga nicht zu den primären Aufstiegskandidaten zählen wird. Dennoch können wir unseren Mitgliedern und den zahlreichen Sympathisanten versichern, dass man sich um die Zukunft unseres Vereins keine Sorgen zu machen braucht.

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