Gerhard Meiwald über Schach, Senioren und Katernberg

Geschrieben am 09.06.2015 von Bernd Rosen

Interview von Willy Rosen mit dem Seniorenreferenten des Deutschen Schachbundes

WR: Lieber Gerhard, Du bist zum Seniorenreferenten des Deutschen Schachbundes gewählt worden. Dazu gratulieren Dir die Schachfreunde aus Katernberg ganz herzlich und sie verhehlen auch nicht, dass sie darauf ein wenig stolz sind. Seit Kindesbeinen bist du Mitglied der SFK Schachabteilung. Solange kennen wir uns auch schon. So können wir anfangen mit Weißt Du noch ………? Wie alles anfing? Die ersten Schritte?

GM: Lieber Willy an eurer Gratulation liegt mir besonders viel. Denn meine Wurzeln liegen in Katernberg, die Verbundenheit zu unserem schönen Schachspiel naturgemäß bei den Sportfreunden. Mit 10 erlernte ich die Spielregeln von meinem Vater. Zur Ermutigung hat er mir immer eine Dame vorgegeben. Als ich diese Vorgabe als 12jähriger umdrehte, fand er, ich müsse zu einem Schachverein.

WR: Was hat Dich denn als Heranwachsender an einem Schachverein so interessiert?

GM: Mich hatte schnell der Schachvirus erfasst. Die ganze Woche wartete ich auf den Freitag, damit ich endlich wieder mit meinen Freunden Schach spielen konnte.

WR: Diesen Virus kenne ich aus eigener Erfahrung. Aber da muss doch noch etwas gewesen sein, das Dich gerade an Katernberg gebunden hat.

GM: Rückblickend will ich es einmal so ausdrücken: Es waren die “Typen“ denen ich nach und nach begegnete: Hannes Materna, der Neuankömmlinge betreute und neben Schachwissen uns auch den sorgsamen Umgang mit dem Material vermittelte; Karl-Heinz Glenz, lange Jahre Leiter der Ingo-Elo-Zentrale und Vorsitzender des Schachverbandes Industriegebiet, der an die Jugendlichen sein Schachwissen weitergab; Spitzenspieler Paul Gerhard, praktischer Arzt und Geburtshelfer, der manche Turnierpartie unterbrach, um sie nach getaner Arbeit wieder fortzusetzen, immer bemüht um eine Glanzpartie im Stile Morphys; Jürgen Riesenbeck, schon zu Jugendzeiten Freund und Mitspieler, zuletzt beim Politikerturnier in Berlin; Willi Knebel, schachbesessen, Organisator, Schachjournalist, Spieler im Nah- und Fernschach, dabei noch Liebhaber von Film und Literatur.

WR: Ja, alles herausragende Persönlichkeiten. Ich möchte noch Jürgen Henningsen beisteuern, Professor der Pädagogik, ein “Spielteufel“, der uns mit Analysen von Hängepartien quälte und uns Pèsepe lehrte, ein Kartenspiel für beliebig viele Mitspieler. Wir könnten noch manchen Namen nennen, aber lass uns noch zu den besonderen Begebenheiten kommen.

GM: Da muss ich nachdenken. Eine einschränkende Auswahl fällt mir da schwer. Ich will einmal drei Höhepunkte nennen.

Da waren die Katernberger Schachtage in den 70er und 80er Jahren. Dazu gehörte stets ein Blitzturnier mit 30 geladenen Gästen. Viele betrachteten es als Ehre, dazu eingeladen zu werden, denn es waren Spieler mit klangvolle Namen dabei, von Dr. Robert Hübner über Klaus Klundt, Jürgen Haakert, Dr. Helmut Reefschläger, Dr. Gerhard Fahnenschmidt, Dr. Reinhard Zunker, Bernd Feustel, Johannes Eising, Matthias Gerusel, Bodo Schmidt und Otto Borik. Natürlich zählten damals auch die Katernberger Karl Heinz Podzielny und Werner Nautsch zur Creme im deutschen Blitzschach.

Als zweites bleibt für mich unvergessen die 1. Deutsche Blitzmeisterschaft 1974 in Würzburg. Karl Heinz Podzielny wurde Deutscher Blitzmeister und Werner Nautsch errang den Vizemeistertitel. Und was uns damals von vielen anderen Vereinen unterschied, waren ein Dutzend Katernberger Schlachtenbummler, die die beiden nach Würzburg begleiteten.

Und als drittes kommen jetzt nicht die vielen erfolgreichen Jahre in der Schachbundesliga, sondern ein einzelnes Event, für das die Katernberger 2005 mit der Ausrichtung der Deutschen Senioreneinzelmeisterschaft in der Gruga gesorgt haben. Damals wurde vielen Senioren bewiesen, dass Essen und das Ruhrgebiet ein überaus attraktiver Austragungsort ist. Den schachlich-organisatorischen Rahmen hat Willi Knebel mit seinen Helfern wunderbar bewältigt. Aber zu einem bleibenden Eindruck beigetragen hat Werner Nautsch, der den Spielerinnen und Spielern und ihren Begleitungen mit einem tollen Rahmenprogramm Essen und das Ruhrgebiet wirklich näher gebracht hat.

WR: Jetzt wohnst du ja schon einige Jahre in Schleswig-Holstein und bist dort Vorsitzender des Heider Schachvereins. Unterscheidet sich Dein dortiges Schachleben von unserem in Katernberg?

GM: Auch mein dortiges Wirken verbindet mich mit meinen Katernberger Wurzeln. Schon als Kind, als mich Karl-Heinz Glenz mit seinem VW-Käfer zu zahlreichen Jugendturnieren begleitete, hatte ich mir vorgenommen, wenn ich selber einmal in dem Alter sein sollte, würde ich diese Unterstützung an Kinder und Jugendliche zurückgeben. Seit ich nicht mehr aktiv berufstätig bin, gebe ich seit vielen Jahren in einer Grundschule, in einer Gemeinschaftsschule und einem Gymnaisum in vielen Klassen Schachunterricht. In dem Zusammenhang entwickelt sich natürlich auch das Jugendschach im Verein. Aber ich bin dabei keine Ausnahme, in sehr vielen Vereinen in Schleswig-Holstein lebt das Jugendschach vom Engagement von Senioren. Einen gravierenden Unterschied an den normalen Vereinsabenden zu Katernberg gibt es natürlich schon, wir sind häufig nicht mehr als 6 Teilnehmer. Deswegen versuchen wir oft Aktivitäten die noch Spieler aus den “umliegenden“ Vereinen anziehen. Aber umliegend heißt dann bei uns 30, 40 oder 50 Km entfernt zu sein.

Meiwald, Rosen, Nautsch
Gerhard Meiwald mit Willy Rosen und Werner Nautsch (Quelle: DSB - Homepage)

WR: Was hat dich denn bewogen, im Seniorenschach Funktionen und Aufgaben zu übernehmen.

GM: Auch wenn sich das jetzt fast schon merkwürdig anhört, aber auch dafür sind meine Katernberger Freunde verantwortlich. Als ich mit 58 Jahren in den Vorruhestand ging, musste ich ja noch 2 Jahre warten, bis ich endlich auch wie Du, Werner Nautsch, Karl-Heinz Bachmann, Willi Knebel, Erich Krüger an großen Seniorenturnieren teilnehmen durfte. Die Zeit habe ich genutzt, meine eigene Spielstärke etwas zu erhöhen. Und als ich dann 2007 endlich das Deutsche Seniorenderby und meine erste Deutsche Seniorenmeisterschaft in Templin mitspielen durfte, schien sich mein Wunsch zu erfüllen, endlich mal wieder selber aktiv Schach zu spielen. Aber schon nach kurzer Zeit musste ich feststellen, dass mich meine beruflichen und politischen Erfahrungen auch in Schleswig-Holstein wieder direkt in Funktionen führten. Bereits 2009 holte mich der Seniorenreferent des DSB Georg Hamm als Pressereferent in den Arbeitsausschuss der Seniorenkommission. Etwas später wurde ich dann auch Seniorenreferent in Schleswig-Holstein. Insofern bin ich quasi mit meinem 60. Lebensjahr direkt ins Seniorenschach eingetaucht und vereinnahmt worden. In den letzten Jahren war ich schon Stellvertreter von Helmut Escher und wir haben in enger Zusammenarbeit die Geschicke des Seniorenschachs im deutschen Schachbund gelenkt.

WR: Zum Abschluss, lieber Gerhard, die obligatorische Frage, was hast du dir denn jetzt als Seniorenreferent des DSB für die kommenden Jahre vorgenommen.

GM: In einer immer älter werdenden Gesellschaft stehen wir auch vor besonderen Herausforderungen im Schach. Diesen Aufgaben haben sich aber auch schon meine Vorgänger Erhard Voll, Klaus Gohde und Helmut Escher gestellt und in den letzten 15 Jahren ein sehr lebendiges Seniorenturniergeschehen in allen Landesverbänden entwickelt. Natürlich ist es mir wichtig, diesen Spielbetrieb weiter auszubauen, zu fördern und zu unterstützen, soweit mir das die Haushaltsmittel meines Seniorenetats erlauben. Vor einer schwierigen Situation stehen wir in den internationalen Zusammenhängen. Die FIDE und die ECU haben bereits seit 2014 beschlossen, Welt und Europameisterschaften sowohl Einzel als auch Mannschaften in den Altersgruppen 50+ und 65+ auszurichten. In der Seniorenkommission legten wir fest, für Seniorenturniere in unserer Verantwortung, also insbesondere Deutsche Meisterschaften, weiter an der Altersbeschränkung 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen festzuhalten. Auf dem gerade durchgeführten DSB Kongress wurde dem neu gewählten Präsidium ein Arbeitsauftrag übergeben, sich auf der Ebene der ECU und der FIDE für die Wiedereinführung dieser Alterskategorien einzusetzen.

Ich bin sicher, in der kommenden Zeit wartet auf mich und meine Mitstreiter in der Seniorenkommission des DSB noch reichlich Arbeit, der ich mich aber gerne stelle.

WR: Lieber Gerhard, “nomen est omen“, GM bedeutet ja Großmeister! Ich bin sicher, Du wirst Deine Aufgaben erfolgreich bewältigen. Danke für dieses Gespräch und vergiss nicht,

  1. auf uns Katernberger kannst du immer zählen.

  2. die „Puppen“ hin und wieder zu bewegen.

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