Gospodin Geilmannov

Geschrieben am 15.10.2010 von Ulrich Geilmann

Gospodin Geilmannov und seine Truppe

Ulrich Geilmann

Zugegeben: An diesem Wochenende war die Muttersprache der meisten Katernberger Spieler eindeutig osteuropäisch orientiert. Keine Frage!

Irgendwie hatte dieser Sprachvirus aber diesmal auch Auswirkungen auf den Teamchef. Jedenfalls könnte man das beiliegende Beweisfoto als deutliches Indiz für seine Russenaffinität werten.

Naja, kann natürlich aber auch sein, dass seine Bekleidungsvorlieben den aktuellen klimatischen Rahmenbedingungen geschuldet waren. Anders ausgedrückt: Angemessen kühl war’s, auch wenn Väterchen Frost augenscheinlich etwas Milde walten ließ!

Willy Rosen (l) und Martin SenffNichtsdestotrotz haben wir uns einmal mehr sehr wohl gefühlt im vorweihnachtlich geschmückten Trier! Und das lag nicht allein nur an der entspannten Bahnanreise am Freitag, dem leckeren Abendessen oder dem netten Teamhotel. Nein! Die gute Laune im Team war auch auf den Umstand zurückzuführen, dass uns an diesem Wochenende mit Corinne Chuchelov, Ingrid Lauterbach, Martin Senff und Willy Rosen eine wirklich illustre Schlachtenbummlerrunde begleitet hat. Spassiba!

Allerdings wollten Igor Glek (der übrigens wieder frisch verheiratet ist) und Klaus Bischoff (er kommentiert zurzeit das hochklassige Chessclassic in London im Internet) erst am Samstag anreisen, was die anhaltende Tiefenentspannung des Mannschaftsführers aber merkwürdiger Weise überhaupt nicht tangierte. Zu Recht. Beide kamen am Samstagmittag mehr als pünktlich an!

Angesichts der sportlichen Bedeutung der anstehenden Wettkämpfe hatten wir die Mannschaft diesmal vergleichsweise aufgerüstet. So kam es, dass wir am Samstag gegen den Aufsteiger SV Griesheim nach erholsamen Schlaf ausnahmsweise einmal als klarer Elofavorit ins Rennen gingen:

Brett SV Griesheim SF Katernberg
1 Berczes Volokitin
2 Murdzia Chuchelov
3 Grabarczyk, M. Bischoff
4 Grabarczyk, B. Firman
5 Geske Glek
6 Walter Zaragatski
7 Nothnagel, M. Ris
8 Chernyavskyy Siebrecht

Der Turniersaal im Gebäude der Kreisverwaltung Trier/Saarbeck bot übrigens gute Rahmenbedingungen und das übrige Drumherum (inklusive Partienkommentierung) versprach ebenfalls besten Standard. Mit Mister Liveportal Pascal Pflaum war auch die Live-Übertragung in besten Händen.

Gleichwohl gab es anfangs bei der Brettzuordnung und der Figurenaufstellung ein paar kleine Problemchen, die aber Dank der Mithilfe des sehr eifrig agierenden Fide-Schiedsrichters Leon Muijs schnell gelöst wurden. Untergeordnete Defizite der Versorgungslage waren ebenfalls schnell behoben. Einem spannenden Nachmittag stand also nichts mehr im Wege.

Ich hatte mir vorgenommen, das erste Mal erst so nach 60 Spielminuten tiefer in die Partien zu sehen. Mit dem Ergebnis war ich dann auch zunächst ganz zufrieden: Ausgleich allenthalben. Lediglich der smarte Ilja Zaragatski lief noch ein wenig dem prinzipiellen Anzugsvorteil hinterher; aber damit konnte ich gut leben, denn seine Stellung bot ihm mit einer halboffenen b-Linie bestimmt hübsche Angriffsoptionen.

Nicht im Sinne des Erfinders war allerdings, dass kurze Zeit später bei der Beamer-Übertragung des Live-Portals im Turniersaal in einer Partie zwischen Trier und Mülheim minutenlang auch die mitlaufende Engine-Bewertung für Jedermann offen sichtbar auftauchte. Erst, als ein Mülheimer Spieler den Fauxpas bemerkte, wurde das geändert. Okay, war jetzt kein Riesending; aber passieren darf so etwas natürlich nicht!

Nazar FirmanWährend dessen steckte sich Nazar Firman in aller Seelenruhe einen Bauern ein, um ihn sogleich wieder stellungsverbessernd feilzubieten.

Eine kleine Merkwürdigkeit stellte die Partie Berczes – Volokitin dar. Der Ungar hatte nach rund 11 Zügen nur noch eine Restbedenkzeit von sage und schreibe 13 Minuten auf der Uhr, wobei Andrei bereits einen klaren Material- und Stellungsvorteil hatte. Sah irgendwie nach einem total missglückten Eröffnungsexperiment aus. Mir gefiel das natürlich!

Auch Robby Ris stand gut. Er hatte sich inzwischen einen mächtigen Zentralspringer erarbeitet, der seinem Gegner augenscheinlich schwer zu schaffen machte.

Eine ähnlich günstige Prognose hatte ich für Sebastian Siebrecht. Unser Sebi, der zu diesem Zeitpunkt den etwas keck nach vorne gerauschten h-Bauern auf’s Korn nahm, war übrigens noch am Vortag aus Wien angereist. Er hatte dort über die strategische Relevanz des Schachspiels für die Hochfinanz referiert und eine Simultanveranstaltung kommentiert.

Klaus BischoffUm 16.30 Uhr dann das erste Ergebnis des Tages. Remis in der Partie Bischoff – Grabarzcyk. Klaus ärgerte sich hinterher zwar ein bisschen darüber, dass er kein wirklich überzeugendes Rezept gegen die schwarze Verteidigungsstrategie gefunden hatte, doch war gegen das Resultat bei nüchterner Stellungsanalyse eigentlich wohl doch nichts einzuwenden. (0,5: 0,5).

Von fast historischer Dimension war allerdings der inzwischen überraschend niedrige (!!) Zeitverbrauch von Vladimir Chuchelov. Der sonst so notorisch zeitnotsüchtige Großmeister hatte in seinem 20. Zug noch satte 42 Minuten auf der Habenseite. Sein Gegner war da mit kaum 2 Minuten weitaus weniger komfortabel ausgestattet. Ja, Sie haben richtig gelesen! Sonst ist das in der Regel genau andersrum! Dabei muss man allerdings anmerken, dass sich Vladimir inzwischen eine nicht uninteressante Angriffsstellung auf dem Königsflügel erarbeitet hatte und schon die eine oder andere unangenehme Attacke drohte.

Es war dann Robert, der den ersten vollen Punkt einfuhr. Er hatte sich mittlerweile eine glasklare Gewinnstellung mit Mehrbauern erspielt und drohte nun einen 2. Bauern zu gewinnen. Sein Gegner zog es jedoch vor, die ohnehin schon sehr knappe Zeit ablaufen zu lassen. (1,5:0,5).

Von der psychologischen Warte aus gesehen war aber die 4. Spielstunde wettkampfentscheidend: Es lief perfekt. Auf fast allen Brettern baute die Katernberger Truppe spürbaren Druck auf. Das führte entweder zu einem grenzwertigen Zeitverbrauch ihrer Spielpartner oder zu direkten Materialgewinnen. So zu sehen bei Andrei, Vladimir, Nazar und Sebastian. Und da Igor und Ilja derzeit ausgeglichen standen, zweifelte ich (stringente Partieverläufe unterstellt) eigentlich nicht mehr ernsthaft an unserem Sieg.

Igor GlekIgor zog daraus als Erster die Konsequenz und remisierte. (2,0:1,0).

Allerdings zeigten dann plötzlich auch unsere Jungs ein paar Nerven. So gab’s ein wildes Handgemenge bei Vladimir und es sah (zumindest für mich) so aus, als ob derweil auch Andrei seine klar bessere Position zum Remis verbaseln würde. Leider war auch Ilja war auf seinem Weg die Qualität abhanden gekommen.

Ich war dann erst wieder ein Stück weit beruhigt, als Nazar seinen Punkt tatsächlich einfuhr. (3,0:1,0). Auch Sebastian spielte während dessen seinen Stiefel cool runter.

Nach der Zeitkontrolle war zunächst einmal ein Kassensturz angesagt. Also, wo hingen die Glocken eigentlich? Ich sah das so:

  • Andrei: leichtes Stellungsplus im Doppelturmendspiel. Vermutlich nicht mehr zu verlieren. Mindestens Remis.

  • Vladimir: wilde Stellung aber bei objektiver Betrachtung sollte Remis drin sein.

  • Ilja: Qualle weniger, aber sehr gute Kompensation durch aktive Springer; unverkennbare Remischancen.

  • Sebastian: klare Gewinnstellung.

Okay… das sollte selbst bei pessimistischer Betrachtung reichen. Mein Puls ging wieder runter.

Kurz vor 19.00 Uhr dann die Verifikation der Prognosen:

  • Remis bei Ilja! (3,5:1,5).

  • Ein wenig später Dauerschach bei Vladimir. (4,0:2,0).

  • Parallel dazu: Game, set and match - Sebi! (5,0:2,0).

Andrei lies uns dann allerdings noch ein wenig zappeln. Andererseits war es nett anzusehen, wie routiniert er sein Endspiel behandelte und seinen Vorteil schließlich Stück für Stück zum Partiegewinn manifestierte. Der Mann ist echt ein Bulle!

Resümee: Ein rundherum verdienter Arbeitssieg. Endstand (6,0:2,0):

Brett SV Griesheim SF Katernberg Ergebnis
1 Berczes Volokitin 0 : 1
2 Murdzia Chuchelov ½ : ½
3 Grabarczyk, M. Bischoff ½ : ½
4 Grabarczyk, B. Firman 0 : 1
5 Geske Glek ½ : ½
6 Walter Zaragatski ½ : ½
7 Nothnagel, M. Ris 0 : 1
8 Chernyavskyy Siebrecht 0 : 1

 


Den Abend haben wir dann wieder im Mannschaftshotel verbracht. Es war im advendlichen Trier allerdings auch fast unmöglich, eine geeignete Alternative zu finden. Alle Restaurants waren voll wie Bolle.

Wie auch immer: Die Stimmung in der Mannschaft war dank der geistreichen Wortduelle, die sich besonders Prof. Dr. Igor und Senior-Cheftrainer Vladimir lieferten, hervorragend und das gemeinsame Dinner vorzüglich. Ein perfekt entspannter Tagesausklang, der für die notwendige Bettschwere sorgte.

Am nächsten Morgen hieß der Gegner dann SG Trier.

Die Mannschaft um meinen lieben Kollegen Stefan Müllenbruck befindet sich insbesondere nach den Ausrufezeichen gegen Wattenscheid und die starken Bremer sowie dem am Vortage hart umkämpften Unentschieden gegen unseren Reisepartner Mülheim (der diesmal allerdings wohl etwas Pech mit seiner Hotelwahl hatte) verdient im Aufwind.

Da war also einmal mehr höchste Vorsicht angezeigt, zumal wir davon ausgingen, dass Trier noch den einen anderen Pfeil im Köcher hat. Insoweit wäre ich vor dem Mannschaftskampf eigentlich tatsächlich schon mit einem Mannschaftspunkt zufrieden gewesen. Doch so ganz zufrieden war ich hinterher dann doch nicht. Aber der Reihe nach:

Entgegen unseren Annahmen schickte Trier wieder das Vortagesteam ins Rennen. Warum auch nicht?! Gleichwohl waren wir damit auch diesmal wieder in der an sich etwas ungewohnten Rolle des Elofavoriten.

Brett SV Griesheim SF Katernberg
1 Berczes Volokitin
2 Murdzia Chuchelov
3 Grabarczyk, M. Bischoff
4 Grabarczyk, B. Firman
5 Geske Glek
6 Walter Zaragatski
7 Nothnagel, M. Ris
8 Chernyavskyy Siebrecht

Ilja ZaragatskiBei meinem ersten virtuellen Rundgang überraschte mich zunächst die etwas merkwürdige Eröffnungsbehandlung des Trierer Urgesteins Dietmar Kolbus. Der ließ sich gegen Ilja (der übrigens von seinen Teamkollegen mittlerweile fast nur noch liebevoll Mr. Europacup genannt wird) auf eine tempoverlustige Königswanderung und mehrere Springermanöver ein, die irgendwie total den allgemein gültigen Spielprinzipien zu widersprechen schienen.

Ansonsten gab’s aber erwartungsgemäß keine wirklichen Überraschungen, wenn man mal davon absah, dass sich in einigen Partien augenscheinlich großes Kino ankündigte.

Dabei war vielleicht Igor das größte Sorgenkind; zumindest kam mir die Behandlung der holländischen Verteidigung doch irgendwie spanisch vor. Übrigens hatten die Trierer noch Tags zuvor in Bierlaune festgestellt, dass es der Deutsch-Russe Igor eigentlich lieber Französisch mag. Unter allgemeinem Gelächter meinte der frankophile Brunner daraufhin trocken, dass das aber schlecht wäre, weil er kein Französisch könne!

Doch zurück zu ernsteren Angelegenheiten:

Um die Mittagszeit konnten Nazar und Ilja erstes Druckspiel entfalten.

Das probierte dann auch Sebastian, indem er unter Einsatz eines Bauern die Rochadestellung seines Gegners zu schwächen versuchte. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt allerdings ehrlich gesagt unsicher, ob das wirklich reichen würde. Kurz danach sah ich, dass sich meine Befürchtungen bestätigten; von einem Angriff war weit und breit nichts zu sehen.

Igor hatte derzeit ebenfalls einen Bauern weniger. Sein Gegner musste sich dafür zwar mit einem brettteilenden Doppelbauern abfinden, doch ein Bauer ist ein Bauer! Naja, ein bisschen hoffte ich natürlich darauf, dass Igor vielleicht doch noch irgendwelche Fudelchancen haben könnte. Und wirklich: kurz danach konnte er das fehlende Material tatsächlich wieder einsacken. Die Partie schien also doch noch ein friedliches Ende zu nehmen.

Vladimir ChuchelovDerweil spielte Vladimir nach bekannten Mustern gegen einen Zentralisolani. Das macht der erfahrene Großmeister an sich ja gerne und auch oft erfolgreich.

Für Robby entwickelte sich hingegen schwere Kost. Andrei und Klaus hatten ebenfalls schwierige Stellungen.

Wie erwartet war es also im Augenblick ein wirklich knappes Rennen.

Um 13.00 Uhr dann das erste Ergebnis: ein bei objektiver Beurteilung vielleicht etwas schmeichelhaftes Remis an Brett 3 zwischen Rüdiger Seger und Klaus Bischoff. Aber einem geschenkten Gaul schaut man eben nicht ins Maul. (0,5:0,5).

Eine halbe Stunde später konnten wir dann den ersten Erfolg verbuchen, als sich Nazar eine klare Gewinnstellung erspielte und die Ernte kurz danach verdient einfuhr. (1,5:0,5).

Nach einer kleinen Unaufmerksamkeit seines Gegners erfummelte sich dann plötzlich auch Igor einen Mehrbauern! Der Typ ist wirklich unglaublich!

Außerdem konnte Andrei seine etwas beengte Lage klären. Sein Läuferpaar entfaltete inzwischen eine außerordentliche Kraft.

Leider zog sich parallel dazu unser Robby trotz Mehrqualität eine fast schon irreparable Materialerkältung zu.

Trotzdem schien sich das Spiel insgesamt unseren Gunsten zu drehen, zumal sich zwischenzeitlich auch Sebastian zu befreien schien und Ilja immer noch mit einem Mehrbauern am Drücker war.

Dann gab es plötzlich helle Aufregung:

Andrei VolokitinIn Gewinnstellung überschritt Andrei die Zeit. Er war damit natürlich nicht einverstanden und vermutete einen Uhrendefekt, insbesondere, da es bereits am Vortage zwischen Trier und Mülheim einen technischen Defekt gab. Ich konnte aber aufgrund der Protokolle leider keinen entsprechenden Beweis führen und musste mich daher letztlich schweren Herzens der Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters fügen. (1,5:1,5). Für Andrei bedeutete das nicht nur Partieverlust in einer sehr hoffnungsvollen Stellung, sondern obendrein noch -10 Ratingpunkte für seine diesjährige Elobilanz. Das schmerzt natürlich doppelt.

Während dessen gab auch Robby seine inzwischen hoffnungslose Stellung auf. Damit ging Trier in Führung. (1,5:2,5).

Kurz danach aber wieder ein Lichtblick: Punktgewinn durch Sebastian, der das Blatt nach einem fatalen Fehler seines Gegners gewendet hatte.

Damit war die Waffengleichheit formal wieder hergestellt. (2,5:2,5).

Sebastian SiebrechtZwischenzeitlich konnten Igor und Ilja ihre Positionen aber weiter verbessern. Vladimir spielte während dessen Remis (3,0:3,0), so dass es bei aller Dramatik eigentlich wieder ganz gut aussah.

Beide Endspiele gestalteten sich allerdings deutlich schwieriger als zunächst angenommen. Die besten Gewinnchancen hatte dabei wohl unser Ilja. Leider fand sein Gegner immer wieder Ressourcen, um die Stellung im Gleichgewicht zu halten. Am Schluss gab’s dann eine klassische Pattstellung. (3,5:3,5).

Auch Igor hatte trotz Mehrbauern am Schluss leider keine realistischen Gewinnoptionen mehr. Irgendwann reklamierte sein Gegner dann Remis durch dreimalige Stellungswiederholung. Nach gemeinsamer Prüfung durch den Schiedsrichter und die beiden Mannschaftsführer konnte dem aber erstmal nicht gefolgt werden. Die Partie wurde deshalb wieder aufgenommen. Freilich erhielt Brunner die in solchen Fällen übliche Strafzeit aufgebrummt. Das machte den Kohl aber auch nicht fetter. Das Remis war nicht aufzuhalten. Kurz nach 16.00 Uhr war’s dann amtlich. SF Katernberg – SG Trier: 4 : 4.

Brett SF Katernberg SG Trier Ergebnis

1

Volokitin Bobras

0 : 1

2

Chuchelov Haslinger

½ : ½

3

Bischoff Seger

½ : ½

4

Firman Cioara

1 : 0

5

Glek Brunner

½ : ½

6 Zaragatski Kolbus ½ : ½
7 Ris Korman 0 : 1
8 Siebrecht Goriachnik 1 : 0

 

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