Schachbundesliga in Eppingen

Geschrieben am 10.12.2007 von Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann
Ulrich Geilmann

Eppingen ist ein kleines, beschauliches Städtchen. Die Anreise dorthin kann jedoch etwas kompliziert und für manchen Spieler, der zum Beispiel den falschen Zug nimmt oder über Moskau anreist, ziemlich lang werden. Man frage Vladimir und Igor!

Sei's drum. Am 09. und 10.12.2007 war jedenfalls wieder Showtime in der Bundesliga!

In guter Stimmung (die Mannschaft hatte sich am Vorabend im Hotel auf Einladung ihres Teamchefs kulinarischen Genüssen hingegeben und dabei ausgiebig Anekdoten ausgetauscht) ging's am Samstag zunächst gegen Tegernsee. Dabei gab es ein Wiedersehen mit Andrei Volokitin, der allerdings am Vortage gegen Arik Braun eine Niederlage einstecken musste und daher mit etwas gedrückter Stimmung antrat. Andrei kommentierte das so: "…Ich habe die ganze Partie geschlafen. Morgen muss es besser gehen…". Jedenfalls war das Vortagsergebnis zwischen Eppingen und Tegernsee mit 3,5 : 4,5 denkbar knapp ausgefallen. Wir sahen das eigentlich als gutes Zeichen.

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Da wir leider auf den gesundheitlich angeschlagenen Alexander Motylev verzichten mussten, hatte Erwin l'Ami wieder einmal die Last des 1. Brettes zu tragen. Andrei konnte die Analysen jedoch durch seine vorzügliche Variantenauswahl unterlaufen. Um ehrlich zu sein, hätten wir nichts dagegen gehabt, wenn er nicht ganz so ausgeschlafen angetreten wäre. Doch so kennen wir ja, den ukrainischen Spitzenspieler, dessen Ehrgeiz nie zu wünschen übrigen lässt.

Dennoch verlief die Eröffnungsphase für fast alle Katernberger durchaus positiv. Wie üblich zog dabei Nazar Firnan gegen GM Teske alle Register und entschied sich wieder einmal für eine risikofreudige Spielweise.

Das Debüt von Robert ("Robby") Ris verlief zunächst ebenfalls recht erfolgreich. Er setzte GM Hertneck mit feinem Positionsspiel unter Druck.

Martin Senff versuchte sich gegen den Eppinger IM Bromberger in der Belagerung eines rückständigen Bauern und hatte sicherlich auch leichte Vorteile. Ähnlich günstig schien auch das Duell zwischen Vladimir Chuchelov und dem freundlichen GM Rozentalis zu verlaufen. Vladimir erspielte sich dabei einen durchaus imposanten Raumvorteil am Damenflügel.

Auch Evgeny Postny und Stelios Halkias versuchten sich in dieser Kunst. Sie mussten sich dabei gegen die routinierten GM Andrei Sokolov bzw. Zoltan Ribli auseinandersetzen.

Igor Glek
Igor Glek

Für Igor Glek lief es gegen GM Khenkin ebensfalls nicht schlecht. Igor hatte sich übrigens in der vergangenen Woche den rechten Zeigefinger gebrochen und mühte sich mit einem entsprechenden Gipsverband ab. Natürlich musste er sich das ganze Wochenende über die Spötteleien seiner Mannschaftskollegen anhören. Hier nur eine kleine Auswahl: Oh, Igor! Wie ist das passiert? Dxf2? Oder hattest Du es mit zwei Damen zu tun?! Kann man damit auch telefonieren?

Wie auch immer. Ich war als Teamchef ganz zufrieden. Stimmung gut, Stellungen gut. Was will man mehr?!

Als erstes endete die Partie zwischen Ribli und Stelios. Der junge Grieche sah wenig Perspektiven in der mittlerweile sehr statischen Position und willigte nach prüfendem Blick ins Remis. Leider konnte dann aber Martin seine Position nicht wesentlich verbessern und ließ sich ebenfalls auf eine Punkteteilung ein. Auch Igor bekam eine Remisofferte, die er schließlich nach Prüfung der immer noch vorteilhaften Gesamtsituation in Absprache mit mir annahm.

Zwischenzeitlich setzte Nazar zum Königsangriff an, was dem Tegernseer Mannschaftsführer Horst Leckner sichtlich Sorge bereitete. Die Position blieb allerdings unklar. Deutlicher war hingegen der Vorteil, den sich Evgeny erspielte.

Einziges Sorgenkind war Erwin, wenn man mal von den üblichen Zeitproblemen bei Vladimir absah. Aber die machen mich inzwischen überhaupt nicht mehr nervös… Echt nicht! …Wirklich! ...Schaut mich nicht so an!

Dann kam der erste Rückschlag: Robby wählte ein etwas zweifelhaftes Abspiel, was ihm schließlich zwei Minusbauern und mir einige Sorgenfalten einbrachte; auch Nazar drohte zu kippen. Plötzlich war gar nichts mehr klar! Als dann auch noch Erwin verlor, hatten die Tegernseer sogar unversehens Vorteil. Das änderte sich auch nicht, als Evgeny seine Partie sauber nach Hause fuhr.

Es keimte erst wieder Hoffnung auf, als Nazar nach Stellungswiederholungen auf Remis zu spielen begann. Bei Vladimir tobte inzwischen eine gnadenlose Zeitnotschlacht. Er hatte inzwischen allerdings eine Figur gewonnen und konnte die Partie erfolgreich beenden.

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Jetzt wurde scheinbar Nazars Partie zum Schlüssel über Sieg oder Niederlage. Nach einem Zeitnotfehler war seine Stellung allerdings inzwischen wieder völlig unklar. Aber da war ja auch noch Robby, der seine an sich verlorene Stellung irgendwie noch zu halten versuchte. Der junge Niederländer schlug sich wirklich tapfer!

Nach einem taktischen Geplänkel hatte dann Nazar plötzlich wieder gute Remischancen. Die Achterbahnfahrt ging weiter. Das war einer der Tage, an denen man um ein Jahr altert, wenn man zusieht.

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Ich mach's daher kurz: Robert fand eine phantastische Pattfalle und sicherte so eine Punkteteilung! Als dann auch noch Nazar den Weg zum Remis fand, war die Sensation perfekt: Endlich ein Sieg über Tegernsee! Willi Knebel hätte es mehr als gefreut!

Klar, dass wir unseren Sieg beim Abendessen im Mannschaftshotel noch ausgiebig würdigten, wobei sich die lockere Unterhaltung später noch auf die stimulierende Wirkung bewusstseinserweiternder Drogen beim Schach und Spekulationen über Igors schlimmen Finger ausdehnte.

Hier noch einmal die Einzelergebnisse:

1. Volokitin - L'Ami 1 : 0
2. Khenkin - Glek = : =
3. Sokolov - Postny 0 : 1
4. Ribli - Halkias = : =
5. Rozentalis - Chuchelov 0 : 1
6. Teske - Firman = : =
7. Bromberger - Senff = : =
8. Hertneck - Ris = : =

Nach dem üblichen Morgenstress (Frühstück, Auschecken, Anfahrt zum Spiellokal) hieß unser Gegner dann am Sonntag Eppingen.

Eigentlich gingen wir ja insbesondere nach dem guten Ergebnis vom Samstag (aber auch von der Papierform her) als leichter Favorit ins Rennen, zumal unsere Eppinger Freunde aufgrund der zeitgleich stattfindenden ungarischen Meisterschaft stark ersatzgeschwächt antraten. Im Grunde also beste Voraussetzungen. Aber anders als am Vortag konnten wir unseren Gegnern diesmal keine nennenswerten Eröffnungsprobleme stellen. Von vorteilhaften Positionen war jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.

Wieder war es an Nazar, der sich mit dem FM Maximilian Meinhardt herumschlagen musste, den Reigen zu beginnen. Er ließ zunächst seinen Damenflügel aufmarschieren um dann auf den Königsflügel umzuschwenken.

Offensichtlich hatte die Nervenschlacht des Vortages doch mehr Kraft gekostet als gedacht. Jedenfalls geriet Evgeny gegen GM Namig Guliyev und Robert gegen IM Ulrich Schulze unter Druck, während in den anderen Partien kaum etwas Greifbares lief. Nun gut, Stelios steckte zwar gegen GM Zoltan Medvegy einen Bauern und etwas Zeit ins Geschäft, um sich einen Entwicklungsvorsprung zu sichern, auch Martin, der gegen FM Arndt Miltner spielte, stand recht solide. Aber: Alles in Allem sah's nicht berauschend aus, zumal Vladimir gegen GM Lothar Vogt nicht rosig stand und (wie üblich) Zeitprobleme bekam.

Eppingen erwies sich als zäher Gegner.

Wirbelwind Nazar quirlte derweil wieder seine Partie durcheinander. Es ist schon erstaunlich, wie intuitiv er Schach spielt. Hauptsache das Brett brennt!

Eine kleine Wende schien sich anzubahnen, als sich Ulrich Schulze gegen Robby auf ein materiell fragwürdiges Abspiel einließ und Igor, der gegen GM Csaba Balogh spielte, seine Position auf Angriff umstellte. Allerdings bahnten sich parallel dazu mehrere Zeitnotduelle an, so dass man über den Ausgang des Kampfes immer noch keine rechte Prognose wagen konnte!

Martin Senff
Martin Senff

Martin war es dann, der den ersten Punkt einfuhr. Der Internationale Meister bezwang seinen Gegner in einer wie immer solide geführten Partie.

 

Stelios steuerte dann in haarsträubender Zeitnot einen halben Punkt durch Zugwiederholung ein - exakt 3 Sekunden bevor sein Blättchen fiel!

Als sich der Pulverdampf lichtete, sah es eigentlich nicht mehr feierlich für uns aus. Klare Gewinnpartien waren jedenfalls nicht dabei.

Zwischenzeitlich hatte sich Tegernsee gegen Mülheim durchgesetzt und wir waren praktisch allein im übrigens hervorragend ausgestatteten Turniersaal; organisatorisch waren unsere Gastgeber vorbildlich, auch die Betreuung war hervorragend.

Doch zurück zum Kampf: Igor und Vladimir standen kritisch; die Partie zwischen Erwin und GM Arik Braun war nicht klar. Sollte es nach der verdienten Führung doch noch schief gehen?

Bald danach machten Nazar und Evgeny remis (ihre Stellungen waren nicht zu gewinnen) und unser Goldjunge Robert nutzte einen letzten Fehler seines Gegners aus; er gewann verdient. Ein phantastischer Einstand für den agilen Holländer!

SFK lag also mit zwei Punkten vorn! Trotzdem: Alle verbleibenden Partien sahen nicht Vertrauen erweckend aus.

Vladimir Chuchelov
Vladimir Chuchelov

Endlich eine kleine Erlösung. Erwin erreichte im Damenendspiel ein Remis und sicherte damit einen weiteren Mannschaftspunkt für uns. Allerdings verlor kurz danach Igor erwartungsgemäß; er musste mit seiner Dame gegen Turm, Springer und Läufer spielen und fand kein Rezept, um seine Partie zu halten.

Damit hing alles an Vladimir, der sich in der zweiten Zeitnot immer noch mit seiner Partie abmühte. Doch es sollte nicht sein. Er kämpfte zwar wie ein Löwe, fand aber trotzdem nicht den Weg zum Remis und musste sich schließlich mit dem Partieverlust abfinden. Damit stand es schließlich 4 : 4. Eine insgesamt betrachtet gerechte Punkteteilung.

1. L'Ami - Braun = : =
2. Glek - Balogh 0 : 1
3. Postny - Guliyev = : =
4. Halkias - Medvegy = : =
5. Chuchelov - Vogt 0 : 1
6. Firman - Meinhardt = : =
7. Senff - Miltner 1 : 0
8. Ris - Schulze 1 : 0

Ein erfolgreiches Wochenende für SFK!

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