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Geschrieben am 17.11.2009 von Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann

Nach dem doch insgesamt positiven Ergebnis in der Auftaktrunde fühlte sich so etwas wie Rückenwind. Insofern sah ich dem 2. Bundesligawochenende in Mülheim auch gelassen entgegen. In nicht unbeträchtlichem Maße trug dazu bei, dass es diesmal im Vorfeld auch keine Absagen unserer Kaderspieler gab.

Als kleines Leckerli hatte ich unsere Spieler, die bereits am Freitag anreisen mussten, in unser Clubheim zum Abendessen eingeladen. Diesem Ruf folgten Andrei Volokitin, Klaus Bischoff nebst Frau und Sebastian Siebrecht. Es wurde ein netter Abend in guter Stimmung und launigen Geschichten.

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Am nächsten Tag traf sich das Team dann bei unserem Reisepartner in Mülheim. Gespielt wurde im Haus der Wirtschaft. Ein altehrwürdiges Gebäude mit tollem Ambiente und hervorragenden Spielbedingungen. So, wie wir es eben von unseren Mülheimer Freunden gewohnt sind. Alles war bestens vorbereitet. Die Spiele konnten bei guter Zuschauerresonanz beginnen.

Mit dem SC 1950 Remagen wartete am Samtstag aber eine harte Nuss auf uns. Unsere Begegnungen waren in der Vergangenheit immer wild umkämpft, was der persönlichen Freundschaft zu meinem Mannschaftsführerkollegen Peter Noras aber keinen Abbruch tut. Er ist immer ein fairer Sportsmann und Schachenthusiast!

Wir wussten, dass GM Vassily Ivanchuk nicht spielen konnte; auch GM Jean-Marc Degraeve war anderweitig verpflichtet. Außerdem rechneten wir nicht damit, dass GM Dr. Robert Hübner auflaufen würde, wobei ich das persönlich immer wieder bedauere. Den Rest konnten wir aber nur raten, wobei ich davon ausging, dass Peter eine starke Truppe aufbieten würde, um uns zu schlagen. In der letzten Begegnung hatten wir nämlich die Nase vorn. Eine Vorabveröffentlichung der Mannschaftsaufstellungen war übrigens gescheitert. Nun, wie auch immer: es kam fast so, wie wir noch am Vortage orakelten. Insgesamt ein etwa ausgeglichenes Partienfeld mit leichten Elo-Vorteilen bei Remagen.

Brett SF Katernberg SC 1950 Remagen
1 Volokitin Fedorchuk
2 Seel Parligras
3 Bischoff Dgebuadze
4 Glek Mainka
5 Zaragaski Swinkels
6 Ris Teske
7 Siebrecht Popovic
8 Scholz Schulz

Zunächst war's dann aber doch noch hektisch. Mit Christian, Andrei (der von Bernd Rosen gebracht werden sollte) und Sebastian hatte ich gleich 3 Leute auf einer aufgestauten Autobahn! Auf Remagener Seite war es Romuald Mainka. Und bei einer Karenzzeit von nur noch 30 Minuten kann so was kräftig ins Auge gehen! Mir blieb also erstmal nichts anderes übrig, als den Schiedsrichter zu informieren und auf das Beste zu hoffen!

Dr. Christian Scholz
Dr. Christian Scholz

Christian kam dann aber noch absolut pünktlich und Sebastian schaffte es mit 10 Minuten Verspätung. Andrei erschien nach 20 Minuten auch noch rechtzeitig. Selbst Mainka kam knapp zeitgerecht… und ich beruhigte danach meinen Magen erstmal mit einer Frikadelle nebst Kaffee! Ein kleiner Plausch hier und da entspannte mich dann wieder ganz.

Mein erster Rundgang nach rund einer Stunde Spielzeit zeigte auf fast allen Brettern eine aus meiner Sicht etwas unorthodoxe Eröffnungsbehandlung. Nur bei den Sizilianern von Andrei, Klaus und Sebastian sah ich bekannte Motive. Andererseits verhießen fast alle Stellungen konfrontationsgeladene Partien. Ein spannender Nachmittag bahnte sich an.

Während in der zweiten Spielstunde in den Nebenräumen trefflich zur Zukunft der Bundesliga philosophiert und über die Auslegung der Turnierordnung debattiert wurde, hatte sich im Turniersaal nicht viel getan. Allenthalben dynamisch angelegte Positionen. Leichte Sorgenfältchen hatte ich eigentlich nur bei Christian Seel, der sich in einer komplizierten Stellung befand und deshalb entsprechend überproportional lange nachdachte. Doch das Ganze löste sich kurz danach mit meiner Zustimmung in Wohlgefallen und einem Remis auf (0,5:0,5).

Das nächste Unentschieden steuerte dann Sebastian nach Rücksprache mit mir bei (1,0:1,0). Damit dabei aber keine Legalitätszweifel aufkamen, wiederholte sich die Stellung mehr als drei Mal, um dem in der Bundesliga neuerdings geltenden allgemeinen Remisverbot vor dem 20. Zug aus dem Weg zu gehen. Der Schiedsrichter hätte das Remis allerdings vermutlich auch so akzeptiert, zumal sich die Mannschaftsführer und alle anwesenden Funktionäre ebenfalls einig waren, dass die allgemeinen Schachregeln der Turnierordnung vor gehen.

Igor Glek
Igor Glek

Während dessen erarbeiteten sich Ilja und Igor jeweils einen Material- und Zeitvorteil. Aber auch Remagen hatte Chancen: So mussten sich Klaus (der auf dem Weg nach einem Fehlzug auch noch seine Dame gegen zu wenig Material eintauschte) und Christian Scholz mit erheblichen Entwicklungsproblemen plagen, die nicht leicht zu lösen waren. Robby und Andrei standen zu diesem Zeitpunkt hingegen in etwa gleich, so dass der Kampf um 17.00 Uhr immer noch dynamisch ausgeglichen war.

Ein wenig später machte dann Igor den Sack zu (2,0:1,0); kurz danach gab Klaus seine Stellung verloren (2,0:2,0). Der Kampf blieb also weiterhin stabil instabil. Allerdings erhellte sich die Lage bei Christian ein wenig. Neigte sich damit das Zünglein an der Waage etwa zu unseren Gunsten? Vielleicht! Aber nur falls Robert seine haarsträubenden Zeitprobleme überstehen würde, was zu diesem Zeitpunkt durchaus nicht klar war.

Andrei Volokitin
Andrej Volokitin

Kurz vor 18.00 Uhr schaltete dann aber plötzlich Andrei auf Killermodus. Er hatte die ganze Zeit unter erheblichem Druck gestanden und erspielte sich (für mich eigentlich völlig unerwartet) einen glänzenden Sieg (3,0:2,0). Danach gewann auch noch Christian seine Partie, der eigentlich ebenfalls auf der Verliererstraße war (4,0:2,0)! Tolle kämpferische Leistungen! Begeisternd! Jetzt bitte nur noch ein Remis!!

Ilja verstand die nonverbalen Stoßgebete seines Teamchefs und bot kurz darauf in sicher etwas aussichtsreicherer Stellung eine Punktteilung an. Ein Angebot, das sein Gegner einfach nicht ablehnen konnte. (4,5:2,5). Jawoll!! Wieder zwei wichtige Punkte gegen den Abstieg eingefahren. Nicht schlecht. Um 18.15 Uhr ergab sich dann mit einem weiteren Remis bei Robby das amtliche Endergebnis (5:3). Für Remagen war's natürlich ein trauriger Nachmittag… Armer Peter!

Ilja Zaragatski
Ilja Zaragatski

Ich war hingegen hoch zufrieden und mit mir sicher auch die vielen Katernberger Fans. Klar, dass wir das im Nachgang noch gebührend feierten. Leider war unser örtlicher Stamm-Italiener "Don-Peppino" offenbar unbekannt verzogen, so dass wir umdisponieren mussten. Das Restaurant in unserem Mannschaftshotel Handelshof war jedoch ein wirklich würdiger Ersatz. Kurz vor 22.00 Uhr drängte das Team aber auf Aufbruch, um noch genügend Vorbereitungszeit zu haben. Wer sollte es ihnen verdenken, denn Solingen spielt im Moment eine Bullensaison. Das bekam übrigens auch unser Reisepartner zu spüren, der sich diesmal knapp gegen die sympathischen Klingenstädter geschlagen geben musste. Ich war also gespannt, wie meine Jungs diese Herausforderung meistern würden.

Nach einer relativ erholsamen Nacht und einem Kraftfrühstück ging's dann am Sonntagmorgen wieder zum Haus der Wirtschaft in die Wiesenstraße. Die Mannschaftsmeldung bot aber keine Überraschungen:

Brett SG Solingen SF Katernberg
1 Smeets Volokitin
2 Nikolic Seel
3 Buhmann Bischoff
4 Romain Glek
5 l'Ami Zaragaski
6 Ragger Ris
7 Naumann Siebrecht
8 Hoffmann Scholz

Der stets freundliche Erwin l'Ami kreuzte ja bekanntlich noch im letzten Jahr für uns die Klingen. Wir führten bereits am Vortage ein wirklich launiges Gespräch. Schade, dass wir ihn nicht halten konnten, er hätte wieder gut ins Team gepasst.

Igor hatte übrigens die gemeinsame Abfahrt vom Hotel verpennt und kam nach ein paar Minuten Verspätung mit dem Taxi nach. Der ist echt 'ne Marke! Aber ansonsten lief zunächst alles glatt. Die Eröffnungsarbeit meiner Jungs war gut. Andrei hatte beispielsweise zusammen mit Bernd eine Neuerung in der Russischen Verteidigung ausgearbeitet, die seinen Gegner erstmal kräftig ins Grübeln brachte. Aber auch sonst gab's die eine oder andere Überraschung. Schachbundesliga - chess at it's best!

Robert Ris
Robert Ris

Eine etwas unterschiedliche Beurteilung ergab sich allerdings bei der Partie von Robby, der eine weit ausanalysierte Variante aus der Caro-Kann-Verteidigung wählte. Bernd war mit der Eröffnungswahl aber nicht so recht einverstanden, weil er langfristige positionelle Nachteile erspähte. Nach gut einer Stunde Spielzeit entstanden auf allen Brettern aber erwartungsgemäß ziemlich ausgeglichene Positionen. Etwas komplexer schien mir dabei allerdings die Partie von Christian Seel zu werden, dessen beengte Stellung verschachtelt und dadurch etwas unübersichtlich war. Letztlich konnte er aber auf einen leichten Entwicklungsvorsprung pochen, der ihm bislang noch den Ausgleich sicherte.

Sehr ambitioniert spielten Christian Scholz (der sich in der klassischen Bauernraubvariante der sizilianischen Naydorf-Eröffnung versuchte) und Sebastian Siebrecht (dessen Stellung dynamische Vorteile aufwies). Und da Klaus, Igor und Ilja auch ziemlich solide standen, haderte ich nicht mit dem bisherigen Kampfverlauf.

Um 12.00 Uhr Mittags fallen im Western ja normalerweise die Bösewichter in die Stadt ein, um dem Sheriff das Leben schwer zu machen. Insofern erwartete ich eigentlich entsprechende Veränderungen auf den Brettern. Doch zunächst geschah nichts dergleichen. Alles blieb verdächtig ruhig. Einzige Ausnahmen bildeten die Partien von Deputy Siebrecht (der für mögliche Angriffsoptionen eine Qualität ins Geschäft steckte) und Kid Zaragatski (der sich plötzlich einer Bauernstampede gegenüber sah). Insgesamt hatte ich trotzdem das unterschwellige Gefühl, dass sich der Kampf bereits zu unseren Ungunsten entwickelt hatte, zumal die Position von Christian Scholz mit jedem Zug schwieriger wurde. Gleichwohl rechnete ich aber noch mit einem langen Nachmittag.

Kurz vor Ende der 3. Spielstunde war die Lage insgesamt nicht besser geworden. So ging bei Robby ein Bäuerchen flöten, was die Remisoptionen des entstandenen Turmendspiels angesichts struktureller Bauernschwächen seines Gegners aber nicht wesentlich untergrub. Ilja hatte inzwischen den entstandenen Freibauern seines Gegners blockiert; auch hier war ein Unentschieden nicht auszuschließen. Bei den anderen Partien bewegten sich unsere Möglichkeiten aber mehr oder weniger immer noch unter der Eisdecke.

Christian Seel
Christian Seel

Etwas überraschend war für mich dann allerdings das Remis von Christian Seel. Er hatte die ganze Zeit über etwas gedrückt gestanden und zuletzt hatte sein starker Gegner sogar noch versucht, ihn weiter einzuschnüren. Insofern war ich mit seinem Ergebnis letztlich nicht unzufrieden (0,5:0,5). Nach Rücksprache mit mir führte kurz dann auch Sebastian ein Remis durch Zugwiederholung herbei (1,0:1,0). Das Qualitätsopfer reichte offenbar doch nicht ganz.

Sebastian Siebrecht
Sebastian Siebrecht (Foto: Gohl)

Kurz danach entwickelte sich bei Ilja ein schwieriges Turmendspiel mit Minusbauern. Die Remiszone schien aber immer noch nicht überschritten zu sein. Schwerer wog da schon die Entscheidung, Igors Partie bei hauchdünnem Vorteil remis zu geben (1,5:1,5), zumal zu diesem Zeitpunkt Christian Scholz nach einer Reihe von kleinen Ungenauigkeiten aufgeben musste (1,5:2,5). Ich hoffte aber einfach darauf, dass es Klaus - trotz Minusbauern - vielleicht doch noch gelingen würde, seine sicher nicht ganz chancenlose Stellung weiter zu verbessern, um so den Mannschaftspunkt zu retten. Im letzten Jahr war uns das ja schließlich irgendwie auch gelungen.

Klaus Bischoff
Klaus Bischoff

Das nächste Unentschieden folgte wie fast einkalkuliert an unserem Spitzenbrett. Andrei sah letztlich keine Möglichkeit, das schon lange auf dem Brett schwelende Endspiel zu gewinnen (2,0:3,0). Dann gab allerdings Klaus seine Stellung doch remis, was dazu führte, dass sich mein zartes Traumgespinst gänzlich verflüchtigte (2,5:3,5). Die nüchterne Betrachtung der Lage zeigte aber, dass Klaus tatsächlich keine realen Optionen hatte, das Spiel zu seinen Gunsten zu drehen.

Um kurz vor 15.00 Uhr die schon lange erwartete Punkteteilung bei Ilja. (3,0:4,0). Robby musste allerdings immer noch um sein Remis kämpfen. Um 17.12 Uhr war es dann soweit: Nach langem, nervenaufreibenden Kampf und zähem Widerstand wurde Robby doch noch geschlagen. Am Schluss ging's um ein Tempo, das er irgendwo verloren hatte. Allerdings gab es mindestens zweimal Schwierigkeiten wegen der Uhreneinstellung, die nach den Zeitkontrollen nicht mit dem Reglement übereinstimmte. Wie auch immer: Bernd hatte doch Recht behalten! Die positionellen Nachteile der Eröffnung wirkten sich tatsächlich bis ins Endspiel aus (3,0:5,0).

Abschließend noch einmal die Einzelergebnisse...

Brett SG Solingen SF Katernberg Ergebnis
1 Smeets Volokitin ½ : ½
2 Nikolic Seel ½ : ½
3 Buhmann Bischoff ½ : ½
4 Romain Glek ½ : ½
5 l'Ami Zaragaski ½ : ½
6 Ragger Ris 1 : 0
7 Naumann Siebrecht ½ : ½
8. Hoffmann Scholz 1 : 0

Nochmals herzliche Glückwünsche nach Solingen! Ihr hattet wieder ein wirklich starkes Wochenende!

Anmerkung des Redakteurs: Die Teamchefas verfolgten den Kampf auf ganz unterschiedliche Weise:

Ulrich Geilmann
Ulrich Geilmann
 
Herbert Scheidt
Herbert Scheidt

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